KNEIPENTERRORISTEN - Hart – Zart – Unverzerrt

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VÖ: 17.06.2022
Bandinfo: KNEIPENTERRORISTEN
Genre: Deutschrock
Label: Remedy Records
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Lineup  |  Trackliste

Ich bekenne mich schuldig – mein Humor ist platter als eine Flunder nach der Dampfwalzenmassage, mein Niveau liegt irgendwo im Mariannengraben unter einem versunkenen Bleiteppich und ich lache über ein krummes Stück Holz! Ich feiere DIE KASSIERER, Beavis und Butt-Head und DIE LOKALMATADORE (die es geschafft haben, "Pillemann, Fotze, Arsch" auf sage und schreibe 31 Minuten (!) auszuwalzen). Ich schaue liebend gerne den Frauenknast und behaupte steif und fest, dass die Serie Lovestorys (naja zumindest eine) hervorgebracht hat, gegen die die Jack-und-Rose-Schnulzerei in "Titanic" emotionsarmer Hühnertrockenkot ist. Und nicht zuletzt zelebriere ich seit meiner Jugend Songs der Marke "1,7 Promille Blues" (SLIME), "Kneipenterroristen" (BÖHSE ONKELZ) und "Joanna an der Bar" (FREI.WILD). Warum? Weil ich ein ungehobelter Prolet sondergleichen bin, den die Scham-Offensive "High Noon" von der SONDASCHULE an seine eigene Jugend erinnert.

So, jetzt habt ihrs! Wie ihr also seht (und als aufmerksame Leser sicherlich schon unterschwellig vermutet habt), bin ich kein Kind von Niveau und für jeden, insbesondere prolligen, trashigen oder überhaupt schlechtklassigen Scheiß zu haben. Insofern war ich natürlich auch den KNEIPENTERRORISTEN aus Hamburg gegenüber erst einmal vollkommen positiv gestimmt. Eine Band, die sich nach dem wohl freundschaftlichsten Trinklied der Frankfurter Stadtmusikanten benannt hat und die obendrein so gut zu sein scheint, dass sich selbst der selige Mick Cocks während eines ROSE TATTOO Konzerts eins ihrer Shirts überstreifte, kann einfach kein Fehlgriff sein. [Das heißt gar nichts. Wie ich just erst gestern, während einer bierseligen Proberaum-Listening- Session, bei den Dresdner PANZERKREUZERn erfahren durfte, als mir eingehend erläutert wurde, wie das mit dem Überstreifen von Shirts unbekannter Bands durch berühmte Frontmänner so funktioniert. Anm. d. Lektorats]

Sagte der Affe und biss in die Seife. Tatsächlich ist "Hart – Zart – Unverzerrt" mein erster ernsthafter Versuch, mich mit den KNEIPENTERRORISTEN zu befassen. Eigentlich keine schlechte Idee, zumal besagte Platte Unplugged-Versionen neuer und alter Songs versammelt und damit einen guten Überblick über das Schaffen der Truppe bietet. So weit, so gut! Was dem geneigten Deutschrockfan hier aber geboten wird, ist selbst dem Verfasser (dessen Niveau nach unten hinaus bekanntlich kein Limit kennt, siehe Einleitung) eine Nummer zu groß. Man wandelt auf den Spuren der Frankfurter Vorbilder und artverwandter Kapellen, jedoch rudimentärer in der Redegewandtheit und ein bis drei Klassen unter deren Niveau (habe ich das jetzt wirklich geschrieben?!). Das Gros der Texte ist so stumpfsinnig wie die Anmachsprüche der Niederschissener Feuerwehr nachts um halb vier, ein stupider Paarreim jagt den nächsten ("Lag's am Charme oder am Gemächt? Mir war's egal, ich fand's nicht schlecht! ", "nüchtern bin ich schüchtern – aber voll, da werde ich zum Proll"…und den unangefochtenen Vogel-Abschießer "Sie kam zu mir am Morgen" werde ich hier nicht zitieren – ihr wisst schon, die Sache mit dem Jugendschutz…). Und der Witz an der Sache ist, dass die Herren das Ganze zumeist ohne jegliche Ironie rüberbringen. Wäre der Spaß wenigstens nicht so bierernst, könnte man noch ansatzweise drüber schmunzeln, aber so?

Musikalisch gibt's nicht viel zu meckern – solider Deutschrock, anständig und mit reichlich Rock'n'Roll-Flair, wenn auch ohne nennenswerte Highlights gespielt. Der Gesang torkelt des Öfteren um die Ideallinie herum und könnte etwas mehr Zielwasser vertragen – siehe das Cover von JOHNNY CASHs verschollener B-Seite "Ring um die Eier". Aber immerhin sind vereinzelte Songs noch ein klein wenig unterhaltsam – nehmen wir z.B. das ultraprollige "Hausverbot im Swingerclub" (im Original: "The House Of The Rising Dong" – man gönnt sich ja sonst nichts) oder das von MOTÖRHEADs "Going To Brazil" abstammende "Wir fahr'n halt nach Kiel": wenn die Staatskasse nicht für'n Flieger reicht, gehts halt in die Hauptstadt der Sprotten, und man vögelt (nicht) auf'm Klo. In Kiel gibt's halt – wie beim Verfasser auf dem Land – weder Sex noch City. Kann man so machen, macht sogar verhältnismäßig Spaß. Ob der allmächtige Lemmy den Spaß allerdings unter 12 Promille ertragen hätte, bleibt fraglich. Fragen können wir ihn leider nicht mehr.

Nicht zu fassen – über Äonen fristete ich mein tristes (was sage ich, vergnügsames) Dasein als unbezwingbarer Tieftaucher in Sachen Humor und Niveau. An der Hintertür der Vorhölle des schlechten Humors, kurz vor dem Ausgang zum Garten Eden des Schlagers, steht Tom Gerhardts "Ballermann 6" für meinen liebsten Zitat-Fundus und Wolfgang Wendland als kulturelles Ideal, das ich selbst nie erreichen werde. Aber in den KNEIPENTERRORISTEN habe ich meine Meister gefunden – Meister, die es geschafft haben, Trash-Hymnen auf Vinyl zu bannen, die selbst mir zu platt sind. Dafür alleine gehört ihnen ein Orden verliehen – wenn ich es nicht selbst gehört hätte, würde ich es nicht glauben. Mehr als zwei Punkte kann ich dafür nicht locker machen, aber es wird mich nicht davon abhalten, es beim nächsten Mal wieder zu versuchen. Man wächst schließlich mit seinen Aufgaben. Prost Männer!



Bewertung: 2.0 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (09.08.2022)

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