HÄMATOM - Lang lebe der Hass

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VÖ: 04.11.2022
Bandinfo: HÄMATOM
Genre: Metal
Label: Anti Alles
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

"Zeit zu gehen"?! Am Arsch! Wenn der Rausschmeißer von HÄMATOMs 2021er Langrille eines nicht war, dann ein Abgesang. Au contraire fügen sich besagtes Eisen ("Die Liebe ist tot") und der auf dem Fuße folgende Dreher "Lang lebe der Hass" zu einem Quasi-Kontinuum zusammen – "Die Liebe ist tot – Lang lebe der Hass" sozusagen. Ein über Namen und Artwork verbundenes Gesamtwerk, zwei Seiten derselben Medaille, ein zeitversetztes Doppelalbum, wie es auch jüngst DIE ÄRZTE (auuus...der Hauptstadt) mit "Hell" und "Dunkel" zusammengeklöppelt haben.

Wobei gerade die Sache mit den "zwei Seiten" den Nagel ausgesprochen gut auf den Kopf trifft – denn während "Die Liebe ist tot" ein über weite Strecken reinrassiger Hartmetall-Prügel war, lebt "Lang lebe der Hass" die verspielte Seite der Band weitaus betonter und fokussierter aus. Insbesondere lassen sich die ohnehin schwer zu kategorisierenden Oberfranken in puncto synthetischer Klänge nicht lumpen und mischen ihrer gestandenen Hartei-Kost eine ernstzunehmende Dosis kurzkettige Muntermacher unter. Und unterstreichen damit einmal mehr, dass sie sich – möge man den Verfasser für diese Aussage nötigenfalls geißeln oder mit (bitte frischem!) Bier übergießen – über die Jahre zu einer der ultimativsten Festivalbands gemausert haben.

Nehmen wir mal die feuchtfröhliche Eröffnungszeremonie, mit dem die Kolibris regelrecht mit der Flak vom Himmel geholt werden. Der Metal-Fight-Club-Song "Es regnet Bier" und sein englischsprachiger Ableger "It's Raining Beer" mögen die unbestrittenen ATZEN-Songs der Platte sein und klingen, als würde eine Guilty-Pleasure-Allstar-Kombo namens ELECTRIC FREI.STEIN am Ballermann zum Halligalli-Drecksaufest aufspielen, aber so stumpfsinnig die Nummer auf der einen Seite auch wirkt, so saukomisch und bespaßend ist sie auf der anderen.

Was nicht zuletzt daran liegt, dass HÄMATOM neben einem geübten Händchen für zündende Vibes auch stets ein Gespür für die richtige Balance zwischen lyrischem Stumpfsinn und Eloquenz an den Tag legen. Will sagen, die Burschen um Fronter Nord schaffen es immer wieder, leicht zu erfassende Messages und plakative Gangshouts für die bierselige Masseneskalation zu schreiben, die aber niemals so platt sind, dass sie langweilig oder gar fremdbeschämend werden. So praktiziert und zelebriert im Opener und Rausschmeißer, dem wunderbar mehrgleisig gedichteten "GAGA"[GAGAGAGA-geisteskrank!!!], der großklötigen Szene-Klischeeschau "Strassenbande 666" und dem obligatorischen Loblied auf die Freundschaft, "Ein Freund" – denn wie schon eine alte Volksweisheit lehrt: "zu zweit hat man vier Mittelfinger und baut doppelt so viel Scheiß!"

Und um die Sache abzurunden, bietet auch "Lang lebe der Hass" eine Auswahl (mehr oder weniger) ernster Tracks, die ihre Botschaft mal lustiger ("Lang lebe der Hass", "Räche sich wer kann") und mal direkt und eindringlich ("SOS") an den Mann bringen. So wird neben einer reichhaltigen Auswahl an Pleasure-Tracks, an denen man sich als Niveau-Tieftaucher und Party-Ausschweifer zünftig laben kann, auch die sinnstiftende Achse der hartmetallischen Kunst adäquat bedient.

Summa summarum werden HÄMATOM ihrem respektabel gewachsenen Status damit auch anno 2022 gerecht. Sie sind weder true noch konventionstreu…genau genommen sind sie noch nicht mal genremäßig eindeutig zu erfassen. Aber gerade deswegen, aufgrund der Zusammenführung aller (naja zumindest einiger) irgendwie festivaltauglichen Klangkünste und weil sie bis heute ohne Rücksicht auf Verluste texten, wie ihnen der maskierte Schnabel gerade gewachsen ist, sind und bleiben sie ein immer wieder großartiger Act, der sich seine heutige Größe hart erzockt und redlich verdient hat.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Lord Seriousface (01.11.2022)

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