POWERWOLF - Missa Cantorem II

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VÖ: 11.11.2022
Bandinfo: POWERWOLF
Genre: Power Metal
Label: Napalm Records
Hören & Kaufen: Amazon
Lineup  |  Trackliste

Im zweiten Teil des Kult-Horrorstreifens "Scream" verlautbarte der nicht weniger kultige Schnetzelfilm-Enzyklopädist Randy Meeks ironischerweise: "Fortsetzungen sind scheiße!" Aber gilt ein auf Hollywood, gescheiterte Beziehungen und Star Wars unter der Kommerzherrschaft Disneys anwendbares Postulat auch für Crossovers (um nicht zu sagen: Wolfovers) unter Beteiligung von POWERWOLF? Sagen wir es mal so: in Anbetracht der zahlreich und regelmäßig erscheinenden Studio-, Live- und Coveralben, EPs, Re-Releases und der famosen Wolfsnächte-Tour denkt man bei einem für die Band aufwandsentspannten Release wie diesem zumindest ein wenig an Druckvermarktung.

Der Gedanke liegt nahe: da die Stücke auf "Missa Cantorem II" (wie bei Teil I des Ausflugs ins Paralleluniversum) fertige Tracks sind, in denen lediglich eine alternative Gesangsspur eingespielt wurde, sind Eigenleistung und kreativer Aufwand für die POWERWÖLFE überschaubar. Teil I wurde zudem von Matthew Greywolf als spontanes, bierlauniges Spaßprojekt vorgestellt und machte als sympathische Dreingabe zum grandiosen "Call Of The Wild" eine gute Figur. Insofern erscheint der als "Pimp-My-Call-Of-The-Wild"-Toureditions-Addon oder alternativ auch als Stand-Alone erhältliche Teil II wie schon erwähnt ein wenig kommerzgetrieben.

Was aber kann "Missa Cantorem II"? Da die Tracks eins zu eins mit "Call Of The Wild" übereinstimmen, muss man um die Güte der Songs zunächst mal nicht bangen. Und wenn man über besagtes Liedgut nun abermals ausgewählte Neusänger vokalieren lässt, kommen dabei – ähnlich wie schon beim Vorgänger – Neuinterpretationen zum Vorschein, die mal stärker und mal schwächer auf den Putz hauen.

Zu den Highlights der Platte zählt unstreitbar "Beast Of Gévaudan" mit MYSTIC PROPHECYs Lia am Mikro, denn auf dem Forum französischer Legenden macht der Fronter mit dem unvergleichlichen Organ eine exzellente Figur und drückt dem Neuzeit-Gassenhauer seinen mehr als markanten Stempel auf. Auch an Michelle Darkness' (END OF GREEN) Teerröhre in "Glaubenskraft" kann man sich zünftig beeumeln, d.h. wenn man den ersten Kulturschock über die massiv veränderte Gesangslinie erst einmal überwunden hat und sich der ausgesprochen guten Kongruenz im Refrain erfreuen kann.

Ebenfalls nicht von schlechten Eltern sind Jonne Järveläs (KORPIKLAANI) stellenweise verblüffend originalgetreuer Gesang in "Varcolac", Melissa Bonny (AD INFINITUM) in "Blood For Blood (Faoladh)" und natürlich "Faster Than The Flame" mit dem Tribun (WARKINGS). Hier kommt frischer Wind in die Tracks und Jonne Järvelä...naja...der klingt erstaunlicherweise fast wie Attila Dorn (am Ende einer durchzechten Tour) – auch irgendwie lustig.

Wenn wir uns allerdings "Alive Or Undead" mit Nils Molin (DYNAZTY, AMARANTHE) oder "Sermon Of Swords" mit Tommy Johansson (SABATON, MAJESTICA) anhören, verspüren wir…naja…nicht unbedingt nichts, aber…irgendwie ein diffuses Gefühl der Unbefriedigung. Schlecht sind die Tracks keineswegs, doch liefern sie der neuen Impulse nur spärlich. Keine vergnügsamen Stimm-Eskalationen wie mit Ralf Scheepers (PRIMAL FEAR) in "Sanctified With Dynamite", kein Jawdropper à la "Fist By Fist (Sacralize Or Strike)" mit TRIVIUMs Matt Heafy, keine eine flottfüßige Prollo-Attacke wie Christopher Bowes' (ALESTORM) Version von "Resurrection By Erection". Selbst der große Hansi Kürsch (BLIND GUARDIAN) begeistert mit seinen teils holprigen Gesangsmelodien in "Call Of The Wild" als Gastwolf nur bedingt.

Insofern kann man also auch der zweiten Singstar-Platte der POWERWÖLFE sowohl Stärken als auch Schwächen attestieren. Manche Nummern zünden besser und andere schlechter bzw. die einen können begeistern, weil sie neuen Schwung in die Sache bringen und die anderen eben weniger. Alles in allem hatte "Missa Cantorem I" jedoch mehr waghalsige Nummern mit dem nötigen Mut zum Kulturschock und war deswegen eine Ecke bunter und lustiger als "Missa Cantorem II". Dieser Eindruck mag jedoch wie so oft dem subjektiven Empfinden, Geschmack und Humor geschuldet sein und die Sache mit der Druckvermarktung möchte ich an dieser Stelle nicht allzu hart in die Bewertung einfließen lassen. Immerhin kann man die Stücke in unseren modernen Zeiten auch ohne Zusatzkosten streamen (was ich als altmodischer Kauz allerdings nicht tue) oder es zur Not auch lassen.

Nur so viel zum Abschluss: POWERWOLF sind verdienterweise zu beachtlicher Größe, wenn nicht zu einer der größten Metalbands unserer Zeit gereift. Sie haben unzählige VÖs, spielen grandiose Konzerte und haben sich eine beachtliche Fangemeinde erspielt. Auf dieser Welle dürfen sie gerne weiterreiten und ihre wölfische Kost kredenzen, aber in puncto Druckvermarktung sollten sie nicht die Bodenhaftung verlieren und zu einer Art METALLICA 2.0 werden, bei der man für läppische drei Monatsgehälter Attila Dorns Innenrobe beschnuppern darf. Google sagte dazu einst "don't be evil", ich sage euch: "(stay POWERWOLF) don't be METALLICA"!

– aus der Bergpredigt nach Seriousface, anno 15 nach "Lupus Dei". In nomine Patris et Filii et Lupus Sancti. Amen.



Ohne Bewertung
Autor: Lord Seriousface (08.12.2022)

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