VOGELFREY - Titanium

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VÖ: 16.09.2022
Bandinfo: VOGELFREY
Genre: Mittelalter Metal
Label: Metalville Records
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Lineup  |  Trackliste

Manche Bands brauchen etwas länger. Manche Reviews auch. Das soll natürlich keine Entschuldigung sein für den krankheitsbedingten Ausfall im Herbst, dessen Überbleibsel nun verspätet abgearbeitet werden. Denn das sechste Studioalbum von VOGELFREY, „Titanium“ verdient es, nicht durch den Rost zu fallen, ist es doch fraglos das bisher beste Album der Hamburger. Nicht nur, dass die rotzfrechen Partygeier mit dem neuen Silberling auch die Volljährigkeit erreichen (18. Jahr ihres Bestehens!) – es scheint sich auch eine gewisse songwriterische Erwachsenheit in die stürmischen Kompositionen des Sextetts geschlichen zu haben.

Das merkt man schon mit dem Ohrwurm-Opener „Flammenvogel“, der die bekannten Trademarks – powerndes Riffing und präsente Violinenmelodie – zu einem eingängigen Song vermengt, dessen Refrain sich länger im Gedächtnis zu halten vermag. Rotzfrech und mit schön sägender NDH-Schlagseite geht es mit „Stahlhammer“ metallisch weiter – die unkonventionelle Stilmixtur, für die VOGELFREY bekannt sind, findet sich auch in „Gott gegen Gott“ und einem der Highlights des Albums: „1000 Jahre Bier“. Bei der Ode an das Gerstengetränk mit tanzbarem Industrial-Synth und Gastauftritt von MR. HURLEY (ohne seine PULVERAFFEN) bleibt kein Auge trocken und der Text tackert einem ein dickes Grinsen ins Gesicht.

Den besten Wurf liefern VOGELFREY aber mit „Nicht A“ ab, in dem sie augenzwinkernd und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen den in der Mittelalterszene herrschenden Kleinkrieg zwischen Anhängern romantisierter Fantasythematik und den Verfechtern des ernsthaften Reenactments auf die Schaufel nehmen. Um ihre Meinung dazu zu unterstreichen, nehmen sie sich und selbigen Song kurzerhand selbst aufs Korn und verkehren den Mittelalter-Rocker zum Abschluss in eine überdrehte ESKIMO ELECTRIC CALLBOY-Stilistik, bei der man sich vor Lachen fast verschluckt. „Denn es spielt keine Rolle wie ansehnlich du bist – es hilft alles nichts, wenn du nicht authentisch ist!“

„Nie wieder Met“, der kernig, fast ein wenig thrashig dahinböllernde Song über den Kater nach einer durchfeierten Nacht, steht dem Wortwitz des davor platzierten Albumhighlights in nichts nach. Auch das epische „Legenden“, wie gemacht zum Schunkeln am Lagerfeuer, kann überzeugen, lediglich das glatte „Sawney Bean“, erstmals mit englischem Text, mag sich nicht so wirklich festsetzen und auch „Samael Hilf“ mag trotz starkem Text und prägnantem Chorus nicht so ganz zünden – dem Song hätte man, abgesehen von der kurzen Eruption im hinteren Drittel, gerne noch etwas mehr Härte spendieren können.

Komplettiert wird das Album von der „Folksnah“ Bonus-EP, die einige der VOGELFREY-Klassiker noch einmal im Akustik-Gewand zeigt – was bei anderen Bands als vollwertiger Release rausgehauen wird, packen die Hamburger einfach mal als Bonus zum Album dazu, was extrem sympathisch rüberkommt und „Titanium“ noch einen zusätzlichen Boost gibt.

Der auf dem 2019 erschienenen „Nachtwache“ eingeschlagene Weg wurde konsequent weitergegangen und mündet im nun vorliegenden Release. VOGELFREY sind im Songwriting definitiv erwachsen geworden und haben ihre durchaus manchmal ein wenig pubertären Lyrics abgelegt, aber sich die rotzfreche Art behalten und auf ihrem sechsten Album ein paar der besten Songs ihrer Karriere ausgebrütet. Wo manches Genre-Schlachtschiff in den vergangenen Jahren schwächelte, könnten nun VOGELFREY in die entstandene Lücke vorstoßen – mit „Titanium“ haben sie jetzt jedenfalls das Rüstzeug dazu!



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Anthalerero (26.02.2023)

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