Sylvan - Force of Gravity

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VÖ: 25.09.2009
Bandinfo: SYLVAN
Genre: Art Rock
Label: Sylvan Music
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Was tun nach einem „Meisterwerk“ ? „Posthumous Silence“ - nach dem Release 2006 letztes Jahr auch noch DVD-technisch aufbereitet & nachgereicht, wird unter den stolzen 7 Alben der Hamburger Prog/Artrockformation Sylvan wohl in nächster Zeit unerreicht bleiben . Und da ist das neue Werk - "FoG" - schon miteingerechnet ..
War „Presets“ (der direkte Vorgänger) ein Haken in die falsche Richtung, so stoßen die Hanseaten wieder kräftiger und zielorientiertier ins Horn - mit zwei mehr oder weniger auffälligen , ähem, Schwächen ? : nicht nur die Laufzeit von 70 Minuten muss erstmal verarbeitet werden, nein, auch die Umgestaltung an der Sechssaiterfraktion ist für die Fangemeinde teilweise hör- und spürbar.

Allzuweit entfernt von den Anfängen sind Sylvan nicht, aber ihre komplexen Strukturen und Songs werden durch die Einbindung von Streicher und/oder Keyboardklängen nicht nur am äußerem Rande aufgebrochen und dabei mit dem wandelbaren Organ von Frontmime Glühmann unterfüttert, und erzeugen so schon nach wenigen Momenten eine (wohl vorschnelle) Urteilsbildung. Mitten im Geschehen der harmonische Opener & Titeltrack: dieser durchläuft in gut 5 Minuten alle Facetten im bandeigenen Sound - zerbrechliche Pianofiguren, dynamische Wechselspiele in Punkto Heaviness - und die eigene, leicht theatralische Stimme lassen den Hörer entweder bewegt zur Repeattaste – oder zur Skiptaste greifen. Die beiden nachfolgenden Songs greifen die Erwartungshaltung listig von hinten an, wirken aber im Kontext etwas deplaziert: „Follow Me“ ist mit seinem beinharten Aufbau und dem etwas penetranten Refrain reine Geschmackssache, beschwört aber eine gewisse Neugierde herauf … auf das, was da noch folgen möge .

Und, Leute, dranbleiben ist angesagt ! Nach zehn Minuten ist beileibe noch nicht alles gesagt - wer die starke Halbballade „Isle in Me“ links liegenlässt wird mit dem 30fachen Abspielen einer DJ Bobo Langrille bestraft … damit das Ohr wieder Glanz von Schmutz unterscheiden kann! Bestens für diese Zwecke geeignet ist dabei auch das streicherverstärkte „Turn of the Tide“ – mithilfe zarter Klaviereinspielung und den gefühlvollen, fast schon gehauchten Vocals bewegt sich der Sylvan´sche Klangkosmos in Richtung Himmelspforte und hinterlässt nach dem Break so einige Narben im Wohlfühlbecken, stützt aber durch den falsett-artigen Gesang die schmale Brücke zu einer Art Progrockversion älterer Radioheadstücke. Dieser perfide Eindruck wird aber hier nur kurz aufgebaut, zu schnell switcht man wieder zurück in wohlbekannte Gefilde und pendelt vor allem in der Albummitte mittels elektronischen Versatzstücken und kaum greifbaren Deprirockintermezzis zwischen Ober- und Mittelklasse .
Hat man das ebenfalls leicht aus dem Rahmen fallende (und dabei irgendwie seltsam unfertig-metallisch klingende) „King Porn“ überstanden, so düst das relaxte „Episode 609“ wie ein Wattebäuschchen zwischen Ohr und Kleinhirn umher, und lässt der oftmals streng hinter den Notenblättern sitzenden Hintermannschaft für ein paar Minuten Auslauf - ohne Leine und lästiger Maulkorbpflicht.
Obacht - Anzug und Frisur gerade richten für das emotionsgeladene Finale ! Schliesslich ist der Viertelstünder „Vapour Trail“ kein Fliegengewicht und so im Vorbeigehen aufgeräumt. Hier wird der gebündelte Wille zum Auslöser einer Achterbahnfahrt, die öfters als nur einmal zielgerichtet, selbstbewusst und stringent inszeniert mit dem Finger auf die Musikgeschichte zeigt und dabei weder das heutige Datum noch den instrumentalen Standard außen vor lässt.
Weitestgehend reibungsarm und dennoch verwegen genug um einem bei Laune zu halten wird hier ein ehrgeiziges Stück Bandgeschichte vorangetrieben und so ein nahezu perfekter Abschluss eines Werkes aufgetischt, welches zwar nicht frei von Längen, aber frei von Kompromissen jeglicher Art über die Runden kommt . Mitsamt dem bereits genannten Titeltrack und dem erwähnenswerten Duett mit Miriam Schell im entrückten „Midnight Sun“ wohl DER Kandidat für die Anspieltippfraktion. Reif, aber nicht faulig geht „Force of Gravity“ so als Quasi-Quintessenz zu den beiden Vorgängern durchaus durch, vermengt seinen Breitwand-Melodic -Progrock aber auch mit etwas gewöhnungsbedürftigen Punk - und metallisch anmutenden Experimentaleinsprengseln. Gut gemeint, aber vielleicht etwas zu disharmonisch eingeflochten ? Nach einiger Anlaufzeit bleibt aber auch hier das Interesse wach, so gesehen ist auch diese Laufmasche wieder ausreichend umgesetzt.

Mitsamt dem angenehm ausbalancierten Soundkostüm und der teils kritischen Textierung im Ganzen aber eine durchaus wertige Alternative zu den bekannten Grössen wie Riverside, (old) Genesis, den Brüdern im (musikalischen) Geiste - Marillion - oder den umtriebigen & allseits genannten/bekannten Porcupine Tree ...



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: PMH (28.09.2009)

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