NUCLEUS TORN - Travellers

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VÖ: 26.11.2010
Bandinfo: NUCLEUS TORN
Genre: Avantgarde
Label: Prophecy Productions
Hören & Kaufen: Amazon | Ebay
Lineup  |  Trackliste

Für alle, die es noch nicht wissen, sollte man vielleicht dazusagen: die Schweizer Folk-Avantgardler NUCLEUS TORN sind nicht unbedingt der Prototyp einer Metal-Band. Das stört aber gar nicht, denn das Septett aus der Umgebung von Bern braucht bei weitem kein obligatorisches Knüppelgeschrate, um seine Musik interessant klingen zu lassen. Weitab von irgend einem Mainstream werden hier die Gewässer der Folklore im weiteren Sinne befahren, und auch in entfernte Ozeane wie dem des Jazz oder des Crossover wagt sich die Truppe zuweilen vor. Die Mannschaft rund um Multi-Instrumentalist Fredy Schnyder kreiert eine völlig autonome, entrückte Klangwelt im Spannungsfeld zwischen Mythologie, Mittelalter, Pop Art und Eigensinn. Jaja, die Schwyzer...

Für Quereinsteiger eignet sich diese (zusammen mit dem neuen Album „Andromeda Waiting“ erscheinende) Vergangenheitsbewältigung relativ gut, um sich mit der Welt von NUCLEUS TORN erst mal vorsichtig vertraut zu machen. Auf „Travellers“ haben die Eidgenossen eigentlich sämtliche Werke noch mal neu abgemischt und draufgepackt, die vor dem aussergewöhnlichen Debut-Longplayer „Nihil“ erschienen sind. Die fragile „Krähenkönigin“-EP von 2004 beispielsweise: Hier geht man ausschliesslich mit Akustikgitarre zu Werke und tangiert dabei so gegensätzliche Genres wie New Age und Neofolk.

Das „Submission“-Demo (2002), ein Zweitracker, der auffallend viele Elemente alter GENESIS aufweist, aber auch eine überraschende, kleine Prise Metal in sich birgt, war bislang überhaupt nur auf selbstkopierten CD-Rs erhältich. Und auch die EP „Silver“ – das allererste Lebenszeichen der Combo von 2001, das ein wenig in Richtung DEAD CAN DANCE zu "Aion"-Zeiten schielt - war bis heute schwerstens vergriffen.
Diese durchaus aussagekräftige Retrospektive wird dadurch nicht bloss Neulinge zu begeistern wissen - auch Sammler, die sich die Fragmente von NUCLEUS TORN bislang via Ebay zusammengeschnorrt haben, werden ob dieser feinen Compilation mit der Zunge schnalzen.

Garniert hat man das Ding dann noch mit zwei unveröffentlichten Songs, die bei den „Nihil“-Sessions quasi liegengeblieben sind – „Leadless“ und „Lurking“, beides extrem starke, durchaus harte Avantgarde-Folk-Operettchen inklusive Saxofon und Geige. Hier zeigt das Schweizer Kollektiv, wozu es musikalisch imstande ist. Hier werden Grenzen gesprengt. Natürlich ist das Material manchmal etwas sperrig. Mit solch illustrem Instrumentarium wie Kirchenorgel, Hackbrett, Bouzouki, Oud, oder Saz Baglama fordern NUCLEUS TORN den aber Hörer immer wieder dazu auf, genau hinzuhören und Neues zu entdecken.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Mike Seidinger (25.11.2010)

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