"Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt" - so sprach einst Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi; und die Geschichte soll es auch sein, die uns heute beschäftigt. Ob sie uns allerdings in diesem Fall etwas lehren kann, und was jeder für sich selbst aus dieser Geschichtsstunde mitnimmt - nun, das bleibt jedem selbst überlassen.
Denn heute liegt bei uns das neueste Machwerk der Tiroler Symphonic Metal-Institution von SERENITY auf dem Plattenteller, und will natürlich genauer unter die Lupe genommen werden: "Death & Legacy" heißt der Drittling, und hat sich ganz den Geschichten jener Persönlichkeiten verschrieben, die selbst Geschichte geschrieben haben. Sir Francis Drake darf hier etwa gleich den Anfang massen, wenn er mit der eröffnenden Bombastgranate "New Horizons" zu neuen Horizonten aufbricht; Liebes- und Lebenskünstler Giacomo Casanova wird in der ersten Singleauskopplung "The Chevalier" unter prominenter Beteiligung von SIRENIA-Frontengelchen Ailyn porträtiert, und "The Youngest Of Widows" erzählt von den letzten Stunden der Maria Stuart I. von Schottland.
Dies sind aber nur einige der historischen Namen, die auf "Death & Legacy" von SERENITY auch musikalisch ein Denkmal gesetzt bekommen; ebenso interessant wie jene der Altvorderen ist allerdings auch die zeitgenössische Prominenz, die sich auf dem neuen Silberling der Tiroler tummelt: So veredeln neben der bereits erwähnten Aylin auch noch Charlotte Wessels von DELAIN (im Song "Serenade Of Flames", der sich mit mittelalterlichen Hexenprozessen beschäftigt), sowie die großartige Amanda Somerville (AVANTASIA, KISKE/SOMERVILLE u.a.), die mit ihrem Goldkehlchen eine weitere Nummer ziert, die sich dem Schicksal von Sir Francis Drake und König Elizabeth I. widmet, nämlich "Changing Fate". Und es sind auch gerade diese Nummern unter weiblicher Beteiligung, die mit Sicherheit die Highlights des aktuellen Albums von SERENITY darstellen. Abgerundet wird das Gesamtbild noch durch zahlreiche Interludien und in verschiedenen Sprachen gesprochenen Textpassagen, die das ohnehin schon unheimlich dichte Album noch ein wenig atmosphärischer gestalten.
Dabei geben sich SERENITY in ihren Arrangements anno 2011 noch bombastischer und ausgefeilter als jemals zuvor, setzen aber insbesondere mit den ruhigeren, melancholischeren Nummern, zu denen mit Sicherheit jene unter Gastbeteiligung gehören, genügend frische Akzente, um erneut ein abwechslungsreiches Symphonic Metal-Album vorzulegen, das hierzulande Seinesgleichen sucht. Im Gegensatz zum Vorgänger "Fallen Sanctuary" geht man vielleicht sogar noch einen Tick bombastischer und orchestraler zu Werke, allerdings fügen sich die opulenten Orchesterpassagen diesmal auch noch besser in das Gesamtbild der einzelnen Songs ein; und egal ob man das düstere "Serenade Of Flames", das orientalisch angehauchte "Beyond Desert Sands" oder das heftige "When Canvas Starts To Burn" hört - stets ergeben Song und Arrangement ein sehr homogenes Ganzes, das nie beliebig oder erzwungen erscheint, und beredtes Zeugnis über die gereiften Songwriting-Fähigkeiten der Band ablegt. Erfreulich auch, dass diesmal Gitarrist Thomas Buchberger noch mehr mit seinen Solo-Fertigkeiten brillieren kann als bisher, und auch Fronter Georg Neuhauser liefert seine wohl bis dato stärkste Gesangsleistung ab. Zu kritisieren gibt's auch diesmal wirklich herzlich wenig im Hause SERENITY, allenfalls könnte argumentiert werden, dass die Arrangements teilweise schon zu bombastisch und sperrig ausgefallen sind, und so den Hörer anfangs fast etwas überfordern, und dass hin und wieder das Tyrolean English in der Aussprache für den einen oder anderen Schmunzler sorgt; aber das ist freilich Kritik auf allerhöchstem Niveau, die die eigentliche Qualität des Albums eher noch unterstreicht denn unterminiert.
Ob nun SERENITY mit "Death & Legacy" ebenso in die Geschichte (zumindest des Metal) eingehen werden wie es dereinst die lyrischen Vorbilder dieses Albums taten, das wird nur die Zeit selbst zeigen können - zu wünschen wäre es den Jungs aus Tirol allemal. Und auch wenn das neue Album auf Grund der teilweise doch sehr anspruchsvollen und sperrigen Songstrukturen und der schieren Bombast-Keule, die hier beinahe konstant geschwungen wird, sicher mehrere Durchläufe benötigt, um sich letztlich im Gehörgang festzukrallen, so haben SERENITY mit ihrem bislang wohl ambitioniertesten Werk ihr (vorläufiges) Opus Magnum vorgelegt, mit dem es ihnen definitiv möglich sein sollte, auch international für noch mehr Aufsehen zu sorgen, als sie das schon bisher taten.
Insofern... auf zu neuen Horizonten!