Whitesnake - Forevermore

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VÖ: 25.03.2011
Bandinfo: WHITESNAKE
Genre: Hard Rock
Label: Frontiers Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

DEEP PURPLEs unvergessliches 1974er „Stormbringer“-Album war nicht nur Namenspatron für dieses unvergleichbar großartige Heavyzine, sondern auch der definitive Beweis, dass deren Sänger David Coverdale zu den besten seiner Zunft gehörte. Als die blondgelockte Legende bei der letzten WHITESNAKE-Tour den treuen Fan mit Playbackeinsatz verarschte, sah ich nach DEM Heavy Metal Shouter schlechthin, Rob Halford, schon den nächsten Fixstern vom Himmel fallen. Welch Ironie, dass gerade diese beiden auf ausgedehnte Frühjahrstour gehen… Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Gottseidank. Der Wechsel von SPV zum Melodic Rock Majorlabel Frontiers Records hat der Band so gutgetan, wie die kleine Auszeit dem britischen Ausnahmebarden. Noch mehr als das gelungene 2008er Comebackalbum „Good To Be Bad“ ist der „Forevermore“ getaufte Studiorundling Nummer 11 eine wohlige Reise durch die letzten 30 Jahre WHITESNAKE, die vor Chartbreakern, Jahrhundertsongs und Hymnen für die Ewigkeit nur so strotzen. Eine Reise light. Denn einen Alltime-Klassiker wie „1987“ schreiben auch WHITESNAKE nur einmal im Leben.

„Steal Your Heart Away“ ist die Einstiegsdroge. Und ja, ihr habt mir das Herz gestohlen. Flott rockend, mit eingängigem Refrain und Western-Feeling im Hintergrund begeistert der Opener als Feelgood-Song ohne besonderen Tiefsinn. Der gute David ist kein Jungspund mehr, aber sein warmes Stimmtimbre hat sich zum Vorgängeralbum merklich verbessert.

Nahtlos übergehend kreischt sich Coverdale in „All Out Of Luck“ wieder in die Herzen knackig-rockender Mitvierzigerinnen zurück. Das Gitarrenduo Reb Beach und Doug Aldrich zieht zwar keine neuen Saiten auf, soliert aber immer noch in der ersten Liga. Schön in der Blues-Edge verhaftend, möchte man am liebsten selbst sein Tremolo verbiegen und durchs Zimmer rocken.

Das unauffällig rockende „Love Will Set You Free“ kennt der Maniac schon von diversen Internetplattformen. Wie schon bei den beiden Eröffnungstracks befinden sich WHITESNAKE tief in den AOR 80er Jahren, was als Kompliment verstanden werden muss. Viele Bands der alten Tage kriegen das nämlich nicht mehr auf die Reihe. Trotzdem gerät der Track etwas schablonenhaft und krankt an fehlender Nachhaltigkeit.

Vom Gas gehen die honorigen Herren erst mit dem süßlich plätschernden „Easier Said Than Done“. Hier hört man neben ex-Keyboarder Timothy Drury vor allem Coverdales gottgleiches Stimmorgan, das so berührend und aufregend wie seit Jahrzehnten nicht mehr aus den Boxen quillt. Schema F WHITESNAKE Ballade, eh klar, aber wer Balladen hasst fängt auch mit WHITESNAKE nichts an.

Definitiv für den amerikanischen Markt produziert ist der druckvolle Straight-Rocker „Tell Me How“. Der Gesang ist wesentlich defensiver und die Gitarrenlicks markiger. Im Mittelteil wurde gar schamlos das legendäre „Still Of The Night“ Riff geklaut (genau hinhören). Und irgendwas erinnert mich ganz stark an LED ZEPPELIN…

Die Kehrtwende folgt auf dem Fuß. Klanglich wieder im regnerischen Britannien angekommen, hat auch das eindrucksvolle „I Need You (Shine A Light)“ wieder mehr Ecken und Kanten. Wiederum wird ein Song von Coverdales großartigen Vocals und einem famosen Beach/Aldrich Duell getragen. Wären die ROLLING STONES im Wohlstand aufgewachsen, wäre dieser Song wohl einer ihrer Evergreens geworden.

In wesentlich seichtere Gefilde rutschen die Jungs mit dem halbakustischen „One Of These Days“. Fast schon poppig mit leichten Folk-Anleihen entfachen WHITESNAKE eine Mischung aus ungewohnter Lagerfeuerromantik und mainstreamtauglicher Nachmittagsradiobeschallung. Genau richtig um die BON JOVI liebende Nachbarin von ihrer angewachsenen „Keep The Faith“ Scheibe zu kratzen.

„Love And Treat Me Right“ ist genau der richtige Weckruf aus den Tagträumen. Ein bisschen „Slide It In“, ganz wenig „Slip Of The Tongue“ und eine große Portion gewonnener Lebenserfahrung sorgen für einen unaufdringlichen Melodic Rock Song mit Sing-Along-Garantie.

Das fast schon prollige „Dogs In The Street“ ist ein weiterer Ausflug zu Zeiten des Glam Rock-beeinflussten „1987“-Albums. Sehr catchy, wiederum mit geklauten Riffs aus der bandeigenen Diskographie, aber auch mit einer großen Portion Herz und Spielfreude eingezockt, fühlt man sich in die goldene Ära der Turbofrisuren und Glitzerjacken zurückversetzt. War dieser Song wirklich so beabsichtigt? Na hoffentlich!

Verdammte Smartphone Generation. Noch vor wenigen Jahren hätte man bei einem Faserschmeichler wie „Fare Thee Well“ nämlich noch ehrfurchtsvoll das Feuerzeug in den Himmel gestreckt. Funktioniert bei der männlichen 40+ Generation garantiert, wenn es ums Beischlaf betteln geht.

Der „Whipping Boy Blues“ ist genau ein solcher (wenn auch wesentlich flotter) und darf selbstverständlich auf keinem WHITESNAKE Album fehlen. Irgendwie schön zu hören, dass auch ein David Coverdale seiner Jugend hinterher trauert. Zumindest musikalisch. Ansonsten sitzt bei diesem Retro-Häppchen jede Note.

Habe ich vor einigen Zeilen nicht von LED ZEPPELIN gesprochen? „My Evil Ways“ klingt zu Beginn definitiv nach den britischen Hard Rock Urvätern. Dazwischen noch ein paar ungewohnte Breaks eingebaut und den Axtschwingern viel Platz zum Geprolle besorgt – fertig ist ein unerwarteter, aber starker Rocker mit genialen Coverdale-Vocals.

Das epische Ende kann natürlich nur „Forevermore“ heißen. Über sieben Minuten nachdenken, in Nostalgie schwelgen, genießen, zurücklehnen, entspannen, ausrasten und staunen ist angesagt, wenn WHITESNAKE ihr „Stairway To Heaven“ für die 2.0 Generation vorlegen. Atmosphäre pur, Gänsehaut garantiert.

Hätte Mister Coverdale am einen oder anderen Ende mit Opulenz gespart und das Album vielleicht um gute zehn Minuten gestrafft, wäre aus „Forevermore“ ein wahrlich fulminantes Hard Rock Werk geworden. So bleibt der schale Nachgeschmack von partiell eingesetzten Fillern und der deutlichen Anbiederung an den kommerziellen Markt. Aber was soll’s – die wirklich starken Songs sind so gut wie seit über 20 Jahren nicht mehr, Coverdale liefert eine Glanzleistung, straft sämtliche Kritiker Lügen und die instrumentale Unterstützung ist wieder over the top. Mission accomplished! Die Schlange ist noch lange nicht zahnlos.



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Robert Fröwein (17.03.2011)

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