Decapitated - Carnival Is Forever

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VÖ: 15.07.2011
Bandinfo: DECAPITATED
Genre: Death Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Ein Comeback ist es de facto ja nicht. Vogg, seines Zeichens Gitarrist und letztes verbliebenes Gründungsmitglied der polnischen Technical-Deather DECAPITATED, hat bereits vor zweieinhalb Jahren verlautbart, dass er die Band trotz des schweren Tourbusunglücks 2007, bei dem Voggs Bruder und Drummer Vitek verstarb und seitdem Sänger Covan noch immer an den Folgeschäden leidet, weiterführen wird. Die zahlreichen Die-Hard Lunatics der Krachmaten aus Krosno haben diesem fünften Studioalbum ebenso gierig entgegen gegeifert, wie etwa das amerikanische Printmagazin „Decibel“, das diese Scheibe gar unter die Top 25 der „am meisten erwarteten Alben 2011“ gelistet hatte.

Um diese Veröffentlichung zu bewerkstelligen, musste Vogg aber erst eine neue Mannschaft um sich scharen. Neben Bassist Heinrich (VESANIA) und Sänger Rafal Piotrowski (ex-FORGOTTEN SOULS) hat da sogar ein Österreicher Platz gefunden. Der niederösterreichische Schlagzeuger Krimh – auch bekannt als Kerim Lechner – ist den Undergroundexperten vielleicht noch von MONDSTILLE oder THORNS OF IVY bekannt, mit dem Engagement bei DECAPITATED hat sich der 22-Jährige aber in die erste Liga des Todmetalls gespielt. Und das ist wortwörtlich gemeint, denn ohne Viteks (R.I.P.) Vermächtnis besudeln zu wollen, aber qualitativ steht er dem polnischen Hyperblaster um nichts nach.

Der große Unterschied zwischen den Beiden ist gleichzeitig auch der Unterschied zwischen den „neuen“ und den „alten“ DECAPITATED – auf „Carnival Is Forever“ gehen die Polen wesentlich progressiver, verschachtelter und unzugänglicher vor. Diese gesteigerte Komplexität hat sich zwar schon bei „Organic Hallucionisis“ angekündigt, doch von der viehischen Durchschlagskraft des Jahrhundertalbums „Nihility“ und der simpel wirkenden und trotzdem hochkomplizierten Songwriting-Herangehensweise von „The Negation“ ist hier so gut wie gar nichts mehr zu hören. Bereits mit dem Opener „The Knife“ könnte der eine oder andere Old-School Fan verpellt werden. Abgehackte Riffs, dissonantes Drumming und die deutlicher als je zuvor hörbare MESHUGGAH-Schlagseite garantieren aber trotzdem eisenhartes Todesblei.

Mit „United“, dem eruptiven „Homo Sum“ und der messerscharfen Highspeed-Schlachplatte „Pest“ haben DECAPITATED durchaus erwartbares Material am Start, doch die Überraschungsmomente bleiben nicht zu kurz. Das bemerkt man etwa besonders beim achtminütigen Titeltrack, der nach einem akustischen Beginn mit genickbrechenden Riffkaskaden überzeugt, dann aber ein langes Interlude integriert um gegen Ende hin noch einmal alles platt zu walzen. Auf „404“ erheben DECAPITATED die Dissonanz zur obersten Prämisse, „A View From A Hole“ erinnert gar an technische Prog/Jazz Ausflüge und das abschließende „Silence“ ist ein unnötiger Ausfader, der nur mehr die Albumlänge strafft.

„Carnival Is Forever“ den bisherigen Alben gegenüberzustellen, ist unmöglich. Sowohl musikalisch, personell, als auch vom Artwork (verstörendes Foto anstatt üblichem Cover-Painting) hat sich bei den Polen alles um 180 Grad gedreht. Auch wenn Sänger Rafal zu keiner Sekunde an die Intensität der ex-Shouter Covan oder Sauron heranreicht, sind die mittlerweile in jeder Hinsicht erwachsen gewordenen DECAPITATED so technisch, modern, überraschend und vielseitig wie nie zuvor. Man muss aber Zeit und Geduld aufbringen, denn mit zwei oder drei Durchläufen sitzt das Teil mit Sicherheit noch nicht. Ob das den Fans der alten Tage auch gefällt, wird sich zeigen. Eine neuerliche Lagerteilung ähnlich der letzten MORBID ANGEL-Scheibe scheint realistisch. Aber ein weiteres „Spheres Of Madness“ kann sich ja ohnehin niemand erwartet haben…



Bewertung: 4.0 / 5.0
Autor: Robert Fröwein (11.07.2011)

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