Flaming Row - Elinoire

Artikel-Bild
VÖ: 11.07.2011
Bandinfo: Flaming Row
Genre: Progressive Metal
Label: Progressive Promotion Records
Hören & Kaufen: Amazon | Webshop
Lineup  |  Trackliste

Völlig überraschend, unerwartet und nichts ahnend bin ich auf dieses Werk gestoßen, welches ungefähr dem Genre Rock-Oper zuzuordnen ist.
Aber auch nur ungefähr, zu vielfältig ist die Musik, sind die Einflüsse, die in den 80 Minuten hier auf wunderbare Weise dem gebannt Zuhörenden geschenkt wird.

Interessant schon mal, dass bereits vor der eigentlichen Overtüre ein kurzes "Elinoire´s Theme" sowie das von Satzgesängen bestimmte "Initiation Fugato" die Eröffnung des Werkes bestreiten dürfen.
Hier schon entdecke ich für mich die Ähnlichkeit, zumindest ein leichtes Anstreifen, an die Rockopern der frühen Siebziger.

Danach eben die Overtüre, "Overture", die recht kräftig metallisch daherkommt und mit einigen der schönsten Leadgitarren der letzten Jahre aufwarten kann. Martin Schnella, Komponist und Erschaffer des Werkes haut bisweilen Soli aus dem Ärmel, die an John Petrucci erinnern. Nicht in der Art und Weise wie er spielt, hier wird keineswegs kopiert. Aber auch Martin weiß, wie man ein Gitarrensolo aufzubauen und im Song zu platzieren hat. Eine Gabe die eine eher seltene ist.
Eine schöne Einstimmung auf das, was uns noch erwartet.

Generell stammt das Projekt aus der Feder von Martin Schnella (STEEL PROTECTOR, CAST IN SILENCE etc), dem Osteroder Musiker der seinen breitgefächerten Musikgeschmack in eine Unmenge an Kompositionen für das damals geplante Projekt umsetzte. Ebenfalls von STEEL PROTECTOR kam Kiri Geile dazu, die ein lyrisches Konzept zur Musik brachte und gemeinsam arbeitete man die Backstory des Albums aus.
Die Aufnahmen starteten Ende 2008. Binnen eines Jahres standen die Aufnahmen instrumental im Wesentlichen fest. Nach und nach wurden weitere musikalische Beiträge durch Gastmusiker ergänzt. Viele Freunde und Musiker-Kollegen von Geile und Schnella unterstützen das Projekt mit Engagement und Performance. Zum Kernteam von FLAMING ROW gehören unter anderem Niklas Kahl (MY INNER BURNING, CAST IN SILENCE) an den Drums und Marek Arnold (TOXIC SMILE, 7 STEPS TO THE GREEN DOOR, STERN COMBO MEISSEN) an den Keyboards/Saxofon. Schnella selbst spielte Gitarren, Bass, einige Keyboards, Mandolinen und Banjo sowie Front- und Chorgesang.

Gary Wehrkamp und Brendt Allman von SHADOW GALLERY wurden gebeten, eine Gastperformance für das Album beizusteuern. Daraus wurde mehr und die beiden waren schlussendlich maßgeblich am Entstehen dessen, was heute "Elinoire" ist, beteiligt.

Weitere Musiker folgten dem Ruf und steuerten ihre Gesangs- und Instrumentalparts bei, bis schließlich das Projekt fertig gestellt werden konnte und im Juli 2011 veröffentlicht wurde.

Da es sich hier um ein Konzeptalbum, ein recht düsteres sogar, handelt, gilt es kurz die Story zur Musik zu erzählen:
Es dreht sich um das Schicksal der Familie Lea und Adam Baltwin, ein Paar welches im Wohlstand lebt, angesehene Bürger. Zum Glück fehlt nur noch der Nachwuchs, und der kündigt sich auch bereits an. Während der Geburt aber verstirbt Lea aufgrund von Komplikationen. Adam kann den Verlust seiner geliebten Leo nicht verwinden und deshalb kein gesundes Verhältnis zu seiner Tochter Elinoire aufbauen.
Eine tragende Rolle spielt Adams Vater Cyrus - und er soll für einen tragischen Wendepunkt sorgen. War Leos Tod wirklich nur ein zufälliger Unfall?

Spannend auch, dass die Geschichte nicht nur menschliche, lebende Charaktere beherbergt, sondern auch von "virtuellen" Charakteren vorangetrieben wird, z.B.Emotionen wie Liebe und Hass, Lebensgeister wie Schicksal, Zeit, Vergangenheit, etc. Insgesamt sind 15 Sängerinnen und Sänger am Erzählen der Geschichte beteiligt. Mehr als 30 Musiker sind schlussendlich an "Elinoire" beteiligt gewesen.

Der Vergleich mit AYREON wird immer wieder strapaziert, auch wenn richtigerweise darauf hingewiesen wird, dass FLAMING ROW deutlich gitarrenlastiger zu Werke gehen und auch spielerisch Elemente wie eine kurze Rapeinlage einfügen.
Ein Countryinstrumental, welches mit sehr feinen Soli auf der Akkustikgitarre aufwarten kann und urplötzlich ins nächste Lied "Lea´s Delivery" übergeht und zwar mit einem der geilsten Übergänge der letzten 20 Jahre Rock/Metalgeschichte. Kein Scherz, ich bin gestanden vor Begeisterung als das Ende von "Do You Like Country, Grandpa?" plötzlich zu einem harten Rocker mit einem Super-Lead-Einsatz wird.

Die Platte deckt musikalisch alles ab was im sogenannten "progressiven" Bereich der Metal und Rockmusik heimisch ist, schafft es aber locker, völlig eigenständig zu klingen. Kleine Anleihen an DREAM THEATER sind zwar vorhanden, aber da kann man drüber hinweg sehen, dazu ist das Material einfach zu stark.
Wie man hier von harten Teilen mit Growlgesang zu pathosgeschwängerten, vor Emotionen überquellende Stücken ("Elinoire", der Titeltrack sollte jeden gefühlstechnisch einigermaßen normal tickenden Menschen zu Tränen rühren) hin und her wechselt ist ein Genuss.
Die Auswahl der Gesangstalente tut das Ihre dazu und ist als makellos zu bezeichnen.

Das Album bietet Unterhaltung mit gewaltigem Tiefgang, allein die Melodien dürften eine monströse Halbwertszeit haben, die vielen Charaktere die fast jeden Song zu einem lyrischen Ping-Pong-Spiel werden lassen, verlangen Aufmerksamkeit, um der Story folgen zu können. Und selbst ohne die zugrunde liegende Geschichte kann man das Album wahrscheinlich Dutzende Male hören, bevor mal eine Pause ansteht, soviel ist hier zu entdecken.

Es ist einfach unglaublich, wie ein junger Mann wie Martin Schnella sich dermaßen viel Arbeit antut und so etwas auf die Beine stellt. Wenn man denkt, wie viel Schrott Monat für Monat veröffentlicht wird, bleibt einem nichts anderes, als den Hut vor dem Herren zu ziehen.

Kein Song wirkt deplatziert auf dem Album, nahezu jeder kann mit großen Melodien aufwarten, mit spannenden Instrumentierungen und fantastischen Gesangsleistungen. Alleine die Koordination der verschiedenen Charaktere, wer soll was singen, wie passt das und das zusammen, wie komme ich zu den Sängern, muss ein Riesenaufwand gewesen sein. Aufgenommen wurde ja nicht nur an einem Platz in Deutschland. Einige der Sänger erledigten ihre Parts in den Staaten. Klar, das Netz macht solche Sachen einfacher, aber auch das gilt zu koordinieren und einzupassen.

Die Platte läuft bei mir schon etwas länger in Dauerrotation und immer wieder findet man etwas Neues, hängt plötzlich an anderen Stellen der Geschichte und genießt dazu die passende musikalische Untermalung. Im Moment ist es bei mir grade Teil IV des letzten Tracks des Albums "A Place To Revive Your Soul". Anspruchsvoll mit riesigem Gesang und den nötigen, gewaltigen Melodien.

Hört Euch das hier an, und dann kauft das Album, ein solches Werk und eine solche Band müssen unterstützt werden:




Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Christian Wiederwald (25.01.2012)

ANZEIGE
ANZEIGE