Arjen Anthony Lucassen - Lost In The New Real

Über die letzten Jahre hat uns ARJEN ANTHONY LUCASSEN regelmäßig mit aufwendigen Rock-Opern und Konzept-Projekten (u.a. AYERON, STAR ONE) beglückt – jeweils bestückt mit unzähligen illustren Gastsängern. Für einmal hat sich der holländische Prog-Messias nun aber von diesem „Namedropping“ gelöst und sämtliche Lead-Vocals und die meisten Instrumente selbst eingespielt. Dies liest sich aber nur auf dem Papier als etwas völlig Neues. Denn im Resultat reiht sich die neue Scheibe „Lost In The New Real“ sowohl stilistisch als auch in Sachen Qualität wiederum nahtlos in die Reihe der zahlreichen Erste-Sahne-Veröffentlichungen von Meister Lucassen ein; zumal er stimmlich mittlerweile derart versiert und vielseitig ist, dass er den fehlenden Gesangsverein augenblicklich vergessen macht.

Das Konzept ist in typischer LUCASSEN-Manier abgedreht spacig und handelt von einem Mann (Mr. L.), der kurz vor seinem Ableben kryokonserviert wurde (Aufbewahren von Zellen durch Einfrieren in flüssigem Stickstoff – Anm. d. Verf.) und in der fernen Zukunft wiederbelebt wird. Als er aufwacht findet er sich in einer Welt wieder, die sich drastisch verändert hat. Die Grenzen zwischen Realität und Fantasie schwinden – dementsprechend verstrahlt kommen auch die Lyrics daher (u.a. „Pink Beatles In A Purple Zeppelin“). Der neben dem Hauptcharakter auftretende Psychologe (sehr amüsant und augenzwinkernd verkörpert durch den legendären Schauspieler Rutger Hauer – u.a. Blade Runner) soll ihn dabei unterstützen, sich emotional an die seltsame neue Welt anzupassen.

Musikalisch beginnt die Scheibe mit „The New Real“ eher ruhig aber nicht minder hochklassig. Der Track erinnert mit seinem 70’s-Vibe und dem Querflöteneinsatz an vergangene Großtaten der Marke „Into The Electric Castle“. Nach einem Ausflug in die 60’s zu den BEATLES („Pink Beatles In A Purple Zeppelin“) wird auf „Parental Procreation Permit“ zum ersten Mal so richtig der Vorschlaghammer hervorgeholt, wobei dies im Verlauf der Platte eher die Ausnahme bleibt. Als weitere Höhepunkte sind zudem die poppige Akustik-Nummer „E-Police“ und das folkige „Where Pigs Fly“ hervorzuheben. Damit ist „Lost In The New Real“ insgesamt eher im folkigen 70’s-Psychedelic-Progrock als im Progressive Metal eines STAR ONE anzusiedeln, und erinnert in seiner Verspieltheit des Öfteren an die frühen QUEEN. In der Endabrechnung wird aber auch hier wieder die LUCASSEN-typische Stilvielfalt geboten wird, die in gewohnter Qualität alle AYERON-Jünger zufrieden stellen sollte.

Dass sich das Werk aber aus den gewohnt gutklassigen Veröffentlichungen des Holländers heraushebt, liegt vor allem an der regulär beiliegenden Bonus-CD, die mit superben Cover-Versionen von Bands wie PINK FLOYD („Welcome To The Machine“), LED ZEPPELIN („Battle Of Evermore“) oder ALAN PARSONS PROJECT („Some Other Time“) aufzuwarten weiß. Die Stücke reihen sich stilistisch nahtlos in das AYERON-Universum ein und vermögen mich in der Endabrechnung teilweise gar mehr zu begeistern, als das eigentliche Studio-Album. Damit wird hier jedem Freund verspielter Mucke ein Rundum-Sorglos-Paket geliefert. Zugreifen!