The Agonist - Prisoners

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VÖ: 01.06.2012
Bandinfo: THE AGONIST
Genre: Modern Metal
Label: Century Media Records
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Mal sehen, was hatten denn meine hochgeschätzten Kollegen zu den beiden ersten Alben der Kanadier THE AGONIST zu sagen? (…) „dass sich dabei bei manchen Passagen (unfreiwillig) einige Zehennägel hochrollen mag eine unerwünschte Nebenwirkung sein, die auch nach dem x-ten Umlauf den Hörer vor gewisse Probleme stellt“, meinte PMH. Mat sah es nicht ganz so bitter: „Der Hype, der um diese damalige Newcomer-Band gemacht wurde, ist mittlerweile verflogen und übrig bleiben die nüchternen Tatsachen der bloßen Musik.“ Gut gebrüllt, liebe Löwen. Doch im Klanguniversum der Agonisten hat sich über die Jahre doch einiges getan, allein schon die durch Pascal Jobin personifizierte zweite Gitarre bringt dem dritten Album „Prisoners“ einen fetten Drive.

Gut, ich persönlich habe ja schon „Lullabies For The Dormant Mind“ für ein durchaus hörbares Stück Modern Metal gehalten (und das, obwohl ich weder zu den großen Verfechtern von Female Vocals noch von Metalcore gehöre) und finde auch „Prisoners“ keinesfalls grottenschlecht. Natürlich muss man nicht nur mit Frauengesang und Core-Zitaten klarkommen, sondern auch über eine relativ klinische Produktion hinwegsehen können. Erfüllt man dieses Übermaß an Toleranz, dann könnte sich einem eine moderne Hartwurst-Perle öffnen. Bei mir funktioniert das aber nicht wirklich. Zu plakativ, zu gezwungen und teilweise einfach zu weinerlich klingt die (zu lange!) Platte, die zwar instrumental verdammt viele Kniffe vereint, gesanglich aber irgendwann das „Fingernagel-auf-der-Schultafel“-Syndrom offenbart – ich bekomme Gänsehaut. Keine „oh mein Gott, ich will ein Kind von ‚Sweet Child O’Mine´“-Gänsehaut, sondern eine „leckt mich doch, EPICA ist das größte Jammertrieftal auf Erden“-Gänsehaut.

Mit dem herzinfarktverursachenden Gejaule der Holländer haben THE AGONIST gottseidank nichts zu tun, denn der heiße Mikro-Feger Alissa White-Gluz (für die Moralapostel – sie war im „Revolver“-Magazin schon mal bei den „Hottest Chicks In Metal“…) hat sich stimmlich durchaus noch einmal steigern können, aber nach spätestens vier Songs kräuseln sich mir trotzdem die Sackfalten. Eigentlich schade, denn mit gestraffter Spielzeit könnte „Prisoners“ ein durchaus fettes Teil sein. Flotte Melodic-Deather wie „Predator And Prayer“ oder „Panophobia“ machen richtig Spaß, aber das sechsminütige Gewinsle „Dead Ocean“ ist mir sieben Minuten zu lang, das progressive Abschlusslied „Revenge Of The Dadaists“ wiegt mich – wohl ungeplant – in den Schlaf. Sinnbildlich für das ganze Album, denn die Filler überwiegen und nach einer knappen Stunde krame ich trotz der instrumentalen Hochqualität und partiellen Top-Songs schon unbewusst in meinem Polycarbonat-Schrank, um doch lieber die letzte LACUNA COIL hervorzukramen.

Prinzipiell ist „Prisoners“ genau eine dieser wenigen Platten, die bei den Hörern wohl zwischen Höchstnote und tiefstem Abgrund pendeln werden. Als ob man „Master Of Puppets“ und „St. Anger“ auf eine Best-Of knallen würde. Für mich war „Lullabies For The Dormant Mind“ einfach besser, durchdachter und weniger penetrant. Wenn die süße Alissa dann im Promowisch auch noch mit dem Satz „Wir alle gehen jeden Abend auf die Bühne und sind bereit zu attackieren: Verletzt zu werden, zu stürzen, kotzen und bluten sind Dinge, an die wir uns langsam gewöhnen“, um die Ecke kommt, würd ich aber am liebsten selber gleich kotzen. Epic Fail!



Bewertung: 3.0 / 5.0
Autor: Robert Fröwein (29.05.2012)

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