/slash Film Festival 2010

Text: nagelfar
Veröffentlicht am 23.08.2010

Festivals für "fantastische" Filme gibt es auf der ganzen Welt, zwei der bekannteren in Europa wahrscheinlich das Frightfest in London und das Fantasy Film Fest in Deutschland. Was hat euch dazu bewogen, ein solches Festival in Wien zu wagen?
Ich programmiere seit 2008 beim Linzer Crossing Europe-Filmfestival die Schiene "Nachtsicht", in der jedes Jahr fünf aktuelle Positionen aus dem europäischen Genrefilmschaffen vorgestellt werden. Das Programm ist vom ersten Jahr, vom ersten Film an (unseren Einstand haben wir mit der Ö-Premiere von [Rec] gefeiert) auf sehr großen Zuspruch gestossen. Ich selbst als Kurator war schon vor Antritt dieser Arbeit überzeugt, dass man mit einem solchen Programm ein Publikum erreichen kann, dass ein Genrefilmprogramm auch ein wichtiger Schritt für ein "klassisches" Filmfestival ist, da man die Veranstaltung für ganz neue Zuschauerschaften öffnet. Durch den großen Erfolg in Linz hat sich in mir schnell der Wunsch verfestigt, ein ähnliches Projekt mit internationaler Ausrichtung in Wien umzusetzen. Im Kern von all dem steht freilich, dass ich seit meiner frühesten Jugend das fantastische Kino liebe und diese Leidenschaft auch meine journalistische Arbeit geprägt hat. Insofern war das Angehen dieses Projekts fast eine logische Fortführung von dem, was ich bereits seit Jahren versuche zu machen.



Als die Viennale vor einigen Jahren einen Japan Horror Schwerpunkt brachte, hat das zu vollen Sälen geführt, denkt ihr, dass die Zielgruppe für ein Festival dieser Art in Österreich groß genug ist?
Die Viennale 2001 mit dem Schwerpunktprogramm zu J-Horror habe ich selber verfolgt und genossen. Wenn man ein Projekt wie das /slash Filmfestival angeht, muss man davon überzeugt sein, dass es in Wien genug Publikum für unser Programm gibt. Meiner Meinung nach, und das zeigt nicht zuletzt die Kinogeschichte Wiens, haben der fantastische Film und Spezialveranstaltungen, die ihn ausstellen, immer großen Zuspruch erfahren. Durch diverse Verschiebungen in der Verleihpolitik, EU-Förderungen und Risikominimierungspolitik seitens der heimischen Verleiher ist das Genrekino vorwiegend reduziert worden auf große US-Schocker, die von den Major Studios weltweit verliehen werden. Die Community, die das Genrekino liebt, hat sich zurückgezogen in die Wohnzimmer, wo neue Produktionen vorwiegend auf DVDs angesehen werden. Das ist einerseits eine logische, andererseits aber auch auch eine traurige Entwicklung: mit unserem Festival wollen wir einen eindeutigen und sehr programmatischen Schritt setzen, nämlich dem Genrekino und seinen Liebhabern wieder einen öffentlichen Raum geben, in dem man ihn feiern kann. Dieser Gedanke stand ganz am Anfang von /slash und wird immer im Zentrum des Festivals bleiben.

Mit der Ausnahme von "The Road" habt ihr ja nicht gerade leichte Kost in eurem Angebot, unter welchen Gesichtspunkten trefft ihr eure Auswahl?
Ich habe vor allem für dieses erste Jahr versucht, ein möglichst breit gestreutes Portfolio des fantastischen Filmschaffens zusammen zu tragen. Letzten Endes fällt die Entscheidung, wenn einen ein Film in irgendeiner Art und Weise mitnimmt, wenn er einen mit einem Gefühl hinterlässt. Das kann Ekstase sein oder reine Freude, Schock oder Verstörung. Nicht wenigen Filmen im diesjährigen Programm stehe ich ambivalent gegenüber.

Mit "The Human Centipede" habt ihr einen Film im Programm, der in der Festival Saison 2009 zu eher verhaltenen Reaktionen und Kritiken geführt, mittlerweile aber eine nicht unerhebliche Anhängerschaft im Internet gefunden hat, nicht zuletzt durch geschickt gestreute Informationen betreffend eines zweiten Teils und die anstehende DVD Veröffentlichung, versucht ihr auf dieser Internet Kult Welle mitzureiten oder haben andere Gründe zur Auswahl dieses Films geführt?
"The Human Centipede (First Sequence)" habe ich beim Filmfestival von Sitges im Oktober 2009 gesehen: schon im Vorfeld waren viele Zuschauer aufgeregt, viele haben alles gegeben um in eines der Screenings zu kommen. Es stimmt schon, dass den Film ein so genannter Hype umgibt: dann muss man sich aber fragen, woher der kommt. Regisseur Tom Six liefert mit seiner Debütarbeit (!) einen soliden und sehenswerten Konzeptfilm ab, der die Konsequenzen einer Situation bis zum Ende durchspielt. Ich wollte den Film eigentlich schon im April in Linz zeigen, das hat dann aber aus diversen Gründen nicht geklappt.

Außer Adam Greens "Frozen" habt ihr eher Filme vergangener Festivalsaisonen im Lineup, finanzielle Gründe oder Limitierung durch die Verleihfirmen, die ihre neuesten Filme lieber erst bei den großen Festivals sehen wollen?
Zum einen will ich in diesem Jahr gezielt auch Produktionen nachspielen, die in Österreich noch nicht zu sehen gewesen sind. Bis zu einem gewissen Grad stelle ich mich auch gegen diese Aktualitätsgeilheit, denn nicht alles was neu ist, ist auch gleichzeitig gut. Wir wollen mit unserem Festival einen neuen Kanal in die Wahrnehmung von Genrekino fräsen, einen, der sich nicht notwendigerweise nur an "Neuheiten" orientiert. Wir haben bisher erst gut die Hälfte unseres Festivalprogramms bekannt gegeben: ein Großteil unseres diesjährigen Line-Ups besteht aber aus sehr aktuellen Filmen, einige davon haben erst in Cannes ihre Weltpremiere gefeiert. Auch Filme wie "The Road" (Weltpremiere im vergangenen September in Venedig, wie auch "Tetsuo: The Human Bullet") hätten wir im letzten Jahr, hätte es uns damals schon gegeben, nicht zeigen können. Wir müssen unser Programm Mitte August abschliessen, da wäre dann die Vorlaufzeit (im Fall von Venedig) viel zu kurz. Aber es ist natürlich auch noch so, dass wir uns als Veranstaltung erst beweisen müssen: wir arbeiten heuer mit einem sehr kleinen Budget, alle unserer "Mitarbeiter" sind ehrenamtlich tätig, machen mit, weil es ihnen Spaß macht. Dieser Geist trägt und prägt das /slash Filmfestival in diesem Jahr. Dass wir uns dann keinen Film leisten können, von dem eine Aufführung etwa 1,500 Euro kostet, versteht sich von selbst. Ich weiss aber auch nicht, ob ich so viel bezahlen würde, selbst wenn wir es uns irgendwann leisten könnten.

Ihr konzentriert euch sehr stark auf neue Medien, vor allem auf Facebook und Twitter, während ihr in den klassischen Medien wenig vertreten seid, warum?
Wir haben uns vor allem im letzten Monat stark auf neue Medien konzentriert, eben um eine Community aufzubauen, um mit den Leuten zu kommunizieren. Im nächsten Schritt, also ab September wir das /slash Filmfestival selbstverständlich auch in den "alten" Medien sehr präsent sein. Zu unserer großen Freude sind wir mit der Prämisse unserer Veranstaltung auf sehr viel offene Ohren gestossen, mit einigen Medien wie etwa FM4 oder Die Presse sind wir Partnerschaften eingegangen. Das heißt, wir hoffen darauf, dass das erste /slash Filmfestival ein breites Echo in der Medienlandschaft erzeugen wird.

Denkt ihr, dass ihr mit diesem Ansatz genug Moment aufbauen werdet können, um das Festival zu einem nachhaltigen Erfolg zu bringen?
Das wäre vermessen, das jetzt zu sagen. Wir hatten es einfach satt, nur auf unserem Arsch zu sitzen und uns immer darüber zu beschweren, dass hier nix passiert. Deshalb haben wir es mit dem /slash Filmfestival selbst in die Hand genommen, so eine Veranstaltung zu organisieren, die in ihrem Kern ein Kommunikationsversuch ist. Ob es uns gelingt, genügend Leute von uns zu überzeugen oder zu begeistern, das werden wir dann im September sehen. Aber natürlich sind wir davon überzeugt, dass uns das gelingen wird. Ansonsten hätten wir gar nicht anzufangen brauchen.

Zombies durchlaufen gerade eine immense Retrowelle, "Der Spiegel" hat sie zur "Kultfigur der Stunde" ausgerufen, befürchtet ihr, dass Zombies nun die neuen Vampire werden könnten, inklusive Glitterdildos und kreischenden Fanscharen?
Alle Monster der Filmwelt durchlaufen Moden, es gibt unzählige Aufsätze darüber, wieso ausgerechnet der Vampir zu unserer momentanen Gesellschaft passt. Ich halte das alles für etwas zu verstiegen: das "Twilight"-Phänomen berührt mich nur am Rande; es ist vorwiegend ein perfekt inszenierter medialer Hype, der kaum mehr etwas mit der Qualität der Bücher oder Filme zu tun hat. Aber ja, Monster sind immer auch Projektionsflächen für Künstler, jeder kann sie interpretieren wie er will, da hat zum Glück keiner die Deutungshoheit. Auch ich persönlich kann nicht mit allen aktuellen Zombie-Varianten etwas anfangen; dass der Zombie, immerhin ja ein eigentlich totes, kaum zur Kommunikation fähiges Subjekt, eine ähnliche Mainstreamisierung erfährt wie der Vampir über die letzten Jahre hinweg, das bezweifle ich allerdings. Mich würde es aber auch nicht stören, wenn dem so wäre, so lange noch genügend andere Interpretationen des Zombietums verfügbar sind.

"L.A. Zombie" des Regisseurs Bruce LaBruce behandelt mit schwulen Zombies eine Gruppe, die in Horrorfilmen bisher kaum thematisiert wurde, erhofft ihr euch durch diesen Film einen ähnlichen Skandal wie in Melbourne? (wo die Aufführung des Films verboten wurde)?
Ich gehe nicht davon aus, dass "L.A. Zombie" in Österreich einen Skandal auslösen wird, jedenfalls nicht, nachdem ihn die Leute gesehen haben. LaBruce ist ein radikal politischer Regisseur, "L.A. Zombie" aber ganz bestimmt nicht sein radikalstes Werk. Es ist ein für nur 100,000 US-Dollar gedrehter Fiebertraum, ein Underground-Film, der Kunst, Exploitation-Tools und (bis zu einem gewissen Grad) Pornografie verschränkt. Ich hatte den Film schon lange vor dem australischen Aufführungsverbot programmiert, habe auch seine letzte Regiearbeit "Otto; Or Up With Dead People" in Österreich (beim Crossing Europe-Festival in Linz) gezeigt und ihn als Regisseur sogar eingeladen. Für unser Festival ist ein Film wie "L.A. Zombie" auch deshalb wichtig, da er veranschaulicht wie viele Arten es geben kann Genrekino oder auch die Zombie-Metapher zu interpretieren und weil er hoffentlich auch zu einer Durchmischung unseres Publikums führt. Letzten Endes geht es im fantastischen Kino immer um die Ausgestossen und Randständigen, um die "Monster", die im Establishment keine Stimme haben.

"The Road" stellt meiner Meinung nach einen Fremdkörper im bisherigen Lineup dar, da es auf mich im Vergleich zu Avantgarde Filmen wie Tetsu oder Japan Shock Material a la Big Tits Zombie zu kommerziell wirkt, wollt ihr damit bewusst ein breiteres Publikum ansprechen?
"The Road" ist unser diesjähriger Eröffnungsfilms: als Opener wünscht man sich natürlich eine Produktion, die auch einer breiten Öffentlichkeit vermitteln kann, wofür das Festival stehen will. Wir haben lange gekämpft um den Film: für mich ist John Hillcoat einer der größten und viel zu wenig bekannten Regisseure des fantastischen Kinos, ein Ausnahme-Stilist, der uns sehr viel über die Befindlichkeit der Welt, in der wir leben, erzählen kann. Ich habe "The Road" im vergangenen September in Venedig gesehen und sofort geliebt. Noch nie habe ich die Apokalypse so beiläufig inszeniert gesehen: ganz großartig. Den Film kommerziell zu nennen, finde ich irreführend. Zum einen ist er für ein relativ geringes Budget entstanden, zum anderen ist Hillcoat als radikaler Autorenfilmer im Feld des fantastischen Films eine Ausnahmeerscheinung, seine Arbeiten auch meilenweit davon entfernt, kalkulierende Blockbuster zu sein. Wie verzweifelt die Produzenten mit dem Ergebnis gewesen sind, beweist nicht zuletzt der vollkommen irreführende Trailer zum Film: was aussieht wie ein extravagantes apokalyptisches Epos mit Explosionen und großen Emotionen ist eigentlich ein kühler, spröder und sehr harter und ungnädiger Film. Einer der unterschätzten Filme des letzten Jahres.

Wie stellt ihr euch die Zukunft des / Film Festivals vor?
Wenn, wie wir hoffen und glauben, sich viele Leute für unsere Veranstaltung begeistern können, dann wollen wir für das nächste Jahr jedenfalls versuchen, unseren Programmrahmen zu verbreitern. Eine Sache, die mich bei den Vorbereitungen zum diesjährigen /slash Filmfestival geschmerzt hat, war, dass wir nur sehr wenige Wiederholungsvorstellungen ansetzen konnten. Einfach, da wir sehr limitierte Programmplätze zu Verfügung hatten.

Wollt ihr uns einen Hinweis auf kommende Filme im Lineup geben?
Wir können sagen, dass wir noch einige Überraschungen in petto haben. Besonders für unseren Abschlussabend ist uns noch ein großer Clou gelungen, über den ich aber noch nichts verraten möchte.

Werden einige der gezeigten Regisseure/Schauspieler auch live anwesend sein?
Aus unserem sehr knappen Budget ergibt sich in diesem Jahr leider auch, dass wir jeden verfügbaren Euro in die Beschaffung von Filmen investiert haben und leider noch keine Regisseure oder Darsteller einladen konnten. Wenn sich das Festival im ersten Jahr bewährt und wir mit den kommenden Ausgaben wachsen können, dann soll das aber zu einem festen Bestandteil werden.

Kurz vielleicht euer Hintergrund? Was verbindet euch mit Fantastischen Filmen? Was sind eure All Time Favorites? Auf welche Filme freut ihr euch schon besonders/seid ihr besonders stolz?
Im Endeffekt erinnert mich das, was wir im Moment tun, sehr daran, was ich schon als 14-jähriger gemacht habe. Meine Eltern haben mich jedes Wochenende zu unserer kleinen Dorfvideothek, die es mittlerweile gar nicht mehr gibt, gefahren und mir erlaubt, mir vier Filme über das Wochenende auszuborgen. Bei mir waren das immer Horrorfilme, viele davon habe ich so oft gesehen, dass ich die Dialoge schon mit sprechen konnte. Jedes Mal, wenn ich einen besonders tollen, spannenden, blutigen oder extremen Film entdeckt habe, habe ich sofort meine Freunde angerufen und ihnen gesagt sie müssen kommen. Wir haben die Filme dann nochmals geschaut. Was ich damals im Kleinen gemacht habe, das kann ich jetzt im Großen machen. Es ist und bleibt aber ein Kommunikationsversuch: wenn man etwas liebt, dann will man es teilen.

All Time Favorites finde ich immer schwierig zu nennen: Regisseure, die für mich eine unbefleckte, also makellose Filmografie aufweisen sind zum Beispiel John Carpenter, Joe Dante, George A. Romero, Yasuzo Masumura, Kiyoshi Kurosawa, John Brahm, Tod Browning, Terrence Fisher, José Mojica Marins, Mario Bava; aber halt wirklich nebst unzähligen Anderen. Auch die großen Schwarz-Weiß-Gruselfilme von Produzent Val Lewton liebe ich abgöttisch.

Wir sind, glaube ich, da ich ja nur für mich schreiben kann, vor allem darauf stolz, dass das /slash Filmfestival nach fast zweijähriger Vorbereitungs- und Planungszeit nun tatsächlich stattfinden wird und es uns gelungen ist, eine außergewöhnliche, aufregende und hoffentlich inspirierende und Spaß machende Melange aus allen Ecken und Enden des Genrekinos zu kreieren. Es gibt einige Filme, darunter "L.A. Zombie" von Bruce LaBruce, der ja erst im August in Locarno Weltpremiere gefeiert hat oder auch unser Abschlussfilm, der noch bekannt gegeben wird, mit denen wir nicht gerechnet haben.

Mehr Informationen auf http://slashfilmfestival.com/


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