FREUND HEIN - ein erster Blick auf "Irreversible Irritation"

Text: Reini
Veröffentlicht am 24.12.2010

Mutig sollte man es nennen, eine Tugend, die nicht viele Bands aus Österreich ihr Eigen nennen dürfen. FREUND HEIN haben riskiert, vor allem finanziell, lud man doch für die Produktion des neuen Albums „Irreversible Irritation“ niemand geringeren als Matt Bayles ins traute Göllersdorf im beschaulichen Wienviertel in Niederösterreich ein.

Auf die Frage, warum ein Matt Bayles, der in der Vergangenheit mit Bands wie MASTODON, ISIS zusammen gearbeitet hat, oder die letzte THE SWORD CD „Warp Riders“ produktionstechnisch über hatte, sich für drei Wochen in die Concrete Studios verschanzt hat um mit FREUND HEIN ein neues Album einzuspielen meinte der sympathische Produzent aus Seattle nur trocken „because those Guys can play“.

Nach etwas intensiverem Nachfragens gab Bayles dann allerdings zu, dass ihn obendrein auch der Auslandseinsatz gereizt hätte, der Aufenthalt in einem Land, welches er als 8-jähriger mit einer US Fußballmannschaft (sic!) schon einmal besucht hatte, war Ansporn und Anreiz zugleich die Anfrage der FREUND HEIN Mannschaft zu akzeptieren.

Viel Zeit hat sich Bayles zwar nicht genommen um die Alpenrepublik zu erkunden, laut Aussage der Band hockte der kleine Ami 12 und mehr Stunden am Tag im Studio, vergatterte die Mannschaft und hauptsächlich Sangesbruder Mr. Hein zu etlichen Sonderschichten, das Ergebnis dieser Knochenarbeit kann sich allerdings mehr als hören lassen.

„Irreversible Irritation“, der laut Band kleinste gemeinsame Nenner der fünf Beteiligten ist lang nicht mehr so verrückt und verwinkelt wie die vergangenen Arbeiten. Dabei gab es im Vorfeld schon acht fix fertige Songs, die in etwa wie „Chaos Immanent“ hoch Zwei geklungen haben, davon überlebte zwar so manches Riff, kompletter Song wurde aber nur einer übernommen, der hört auf den Namen „Black Metal Parody“ und ist so etwas wie das verrückte Aushängeschild des Albums.

Auch wurde bewusst (!!) auf deutsche Texte verzichtet, schließlich will man die zehn Songs ja international verbreiten. Zuständig dafür ist seit neuestem der Twilight Vertrieb, bei dem die NÖer einen Deal unterschrieben haben und das von Matt Bayles im heimatlichen Seattler The Red Room gemixt und gemasterte Album soll am 25. März 2011 erscheinen.

Wie das denn im März so klingen wird, erfährt ihr hier und jetzt – stormbringer.at hatte das Privileg und durfte sich schon das komplette „Irreversible Irritation“ Album zu Gemüte führen:

Let The Shit Rock

Der Opener ist zugleich auch das Eingängigste war wir auf „Irreversible Irritation“ zu hören bekommen werden. FREUND HEIN und nachvollziehbare Refrains waren in der Vergangenheit eher ein Paradoxon, „Let The Shit Rock“ tut aber genau dass, was uns im Songtitel prophezeit wird: ROCKEN und zwar mit schönem Thrash Appeal und herrlich warmen Hammond Orgel Sounds, die einem wohlig umgarnen.

At The End of the American Dream

Ein verzwicktes Etwas, dass dennoch in vielen Parts sehr eingängig geworden, gar nicht so psychotisch wie von der Band in der Vergangenheit gewohnt. Drückt enorm, hat einiges an 80ies early 90ies Thrash/Speed in sich, auch ob der aggressiven Stimme. Wird aber durch die Keyboards einigermaßen verproggt. FREUND HEIN und ein eingängiger Refrain, die Überraschung des Tracks, wobei auch der Spoken Word Part eher straight gehalten ist. Spacige Orgelsounds runden das Ganze ab! Immer wieder bleibt der doch einfache, aber effektive Refrain hängen!

Sadistic Christian Motherfuckers

Ein richtiges Speed Monster zu Beginn, hält die Geschwindigkeit schön aufrecht, pendelt irgendwo zwischen blankem Wahnsinn und eingängigen Strukturen hin und her. Auch hier ist wieder diese herrliche Hammond Orgel zugegen, die uns im weiteren Verlauf noch ein paar Mal verzücken wird.

Pure Fucking Violence

Saugeile Gitarrensoli dominieren den straight-psychopathischen Song. Von der Grundausrichtung eher einfach gestrickt, steckt der Teufel wie so oft im Detail. Sie wären ja nicht FREUND HEIN, wenn da keine Windungen versteckt wären. Auf „Pure Fucking Violence“ sind sie zwar subtiler angebracht, zu hören bzw. zu finden sind sie aber definitiv: Allein das Gegrowle oder die verschrobene Bridge müssen erwähnt werden.

A Playboy’s Nightmare

80ies Drumgewitter gen Anfang, bevor das thrashige Grundriff die Oberhand gewinnt. Dann gesellen sich die verspielten Parts dazu, Thrash-Prog, wie er so oft auf „Irreversible Irritation“ zu hören ist. Der rausgedrückte (Kurz) Refrain mit gepressten Vocals fällt sofort auf, auch weil gleich darauf (zwar leise aber doch) wieder diese Keyboards für Wohl fühl Atmosphäre sorgen. Kaum entdeckt man was Eingängiges, wird es gnadenlos niedergeproggt, ein „Rock’n’Roll means Girls and Beers“ fräst sich schlussendlich aber trotzdem im Hinterstübchen fest.

Fiction Facts Factory

Verzwickt, Verzwickter „Fiction Facts Factory“! An diesem Song ist rein gar nix einfach, der ist weder einfach zu hören, noch einfach nachzuvollziehen. An sich ja ein ziemliches Kompliment, im Vergleich zum Rest des Albums aber dennoch ein leichter Qualitätsabfall, da hilft selbst der (fast) gesprochene Teil mit unterlegtem zähem Riffing nicht mehr viel.

Black Metal Parody

Möglich, dass „Fiction Facts Factory“ auch nur deswegen ein wenig schief in meinen Ohren geklungen hat, weil es den Weg für DEN ÜBERSONG des Albums frei machen musste. Die Schwarzmettallische Parodie ist einfach nur GEIL, zitiert drinnen irgendwo rotzfrech aus MOUZARTs „Papageno“ „Der Vogelfänger bin ich ja“ und bedient über mehr als sechs Minuten lang die wirklichen Psychopathen unter uns. Allein der beschwingte Keyboard Part, der von einer Art Hendlgegacker von Mr. Hein himself eingeleitet wird, ist die Hörprobe dieses „Stückes jenseits von Gut und Böse“ wert!

Excrements oft he Messiah

Mit seinen nicht ganz dreieinhalb Minuten der kürzeste Beitrag auf dem Album. Eher mittelschnell, aber einprägsames Grundriff im ersten Teil. Wird nach ca. 90 Sekunden von einem herrlich schrägen Riff atomisiert (Selbiges gilt übrigens für die SLAYERdesken Solowirrwarrs zu Ende des Songs), bevor es mit Keyboard Unterstützung und Gekreische wieder etwas zugänglicher wird.

Until Our Time Has Come

Der (fast) Instrumental Track: Cooler, weil eingängiger, in die Power Metal Richtung tendierender Beginn. Stampf Metal oder so, aber echt leiwand und auch auflockernd ob der bis dato genossenen Verschrobenheit der fünf Herren. Das Keyboard wird im weiteren Verlauf als Unterstützung mit einbezogen, bevor nach ca. 2 Minuten eine RAMMSTEIN artige, tiefe, bedrohliche Flüster-Sprechstimme auftaucht. Sowas wie der Depri-Beitrag auf dem Album. Irgendwie zwei grundverschiedene (Metal)Welten die hier aufeinandertreffen, passen aber, auch weil gen Schluss nochmal die Speedkeule geschwungen werden darf.

Ready for the Antichrist

Ziemlich aggressive Vocals. Flottes Tempo, trotzdem oder gerade deswegen sehr progig, verschrobenes (ja ja ich wiederhol mich ich weiß!) Gitarrensolo – SLAYER lassen grüßen, wieder ein Midtempo Part der für Auflockerung sorgt; die im Hintergrund dominierenden Keyboards fallen auf, ein wenig Eingängigkeit wird hier heraufbeschworen. Die teilweise tiefe Stimme gefällt, die hat was Psychotisches! Generell wieder deutlich im brettharten Prog Thrash Metal angesiedelt der Track, aber dennoch voller Feinheiten. Ein feines Orgel/Synth Solo wurde im Mittelteil drauf gepackt, welches wieder in einen drückenden Part übergeht. Weird Gitarrensolis, welche sich wohl über alle Songs hinweg ziehen werden.

Fazit:

Dort, wo beim 2007er Vorgängeralbum „Chaos Immanent“ noch die blank grobe Kelle Anachronismus und die überdosierte Nonkonformität geherrscht hatte, strahlt „Irreversible Irritation“ so etwas wie den größten gemeinsamen Nenner der fünf beteiligten Individuen aus. Zwar war Gitarrist Glaso diesmal der Ideenlieferant Nummer Eins, dennoch ist „Irreversible Irritation“ als funktionierendes Bandalbum einzustufen. Als Bandalbum, welches den langgedienten Niederösterreichern endlich jene Breite bescheren könnte, die sie auch für eine weitaus größere Klientel entdeckungswürdig machen sollte. Kurzum eine coole Ansammlung an wirklich verdammt starken Psycho-Prog-Thrash Kompositionen, die definitiv internationales Format haben.

FREUND HEIN Comments:

Neuorientierung, schon, wenn man die letzte Scheibe kennt, da wurde von allen Ideen gesammelt und Nummern daraus gemacht, die Arbeitsweise war diesmal eine Andere. Warum das Umdenken? Nach der letzten Scheibe waren etliche schräge Nummern fertig, die konnte sich die Band gar nicht selber anhören. Wenn man ein gewisses Publikum erreichen will, muss man sich auf die Wurzeln besinnen. Jeder hat zu der neuen Richtung eine gewisse Beziehung. Thrash ist ein gemeinsamer Nenner, auf dem das neue Album aufgebaut wurde. Gerade die Gitarrensolos haben diese SLAYER Schrägness welche jedoch im Unterbewusstsein passierte.


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