OPETH - Der "Sorceress"-Gangbang

Irgendwie schreibe ich derletzt immer häufiger Reviews, in denen ich auf mein Alter zu sprechen komme. Muss am Alter liegen. OPETH sind für mich auch so ein Altersphänomen. Mit unter 30 konnte ich damit gar nichts anfangen, war immer total verkopfte Angebermusik für mich. Was für alte Leute quasi.

Noch ein paar Jahre später weiß ich: Tatsächlich machen OPETH ziemlich verkopfte Angebermusik. Und Mikael Åkerfeldt ist tatsächlich ein Gockel. Aber mittlerweile weiß ich das zu schätzen, denn der Mann arbeitet seit zwanzig Jahren konsequent an einem Platz im Olymp der Rockmusik. Den hatte ich vor allem mit "Blackwater Park" und "Ghost Reveries" gerechtfertigt und mit "Pale Communion" akut gefährdet gesehen. "Sorceress" aber ist ein so tolles Album, dass ich - wäre ich in der Jury für "Schwedens next Rockmusiklegende" - für den Mann voten würde. Vor allem, weil "Sorceress" tatsächlich wieder ein deutlich härteres Stück Musik ist und weil es alles andere als müde wirkt. Das unfassbar fette Titelstück mit Gitarren, die bis kurz vor die Knöchel gestimmt sind und einem Mainriff wie aus einer anderen Welt ist da nur ein Beispiel. Die Platte ist voll mit hart rockenden Progsongs, die diesmal gar nicht so überaus progressiv ausgefallen sind. Zumindest weit weniger verstockt als auf den letzten beiden Scheiben. "The Wilde Flowers", "Chrysalis" oder das ziemlich an DEEP PURPLE erinnernde "Strange Brew" wären da gute Beispiele, aus denen die Spielfreude, aber auch die Erfahrung nach allen Seiten überquillt.

Andererseits ist OPETHs zwölftes Album auch eines der leisen Töne, die aber nicht minder beeindruckend sind. "Will O The Wisp" ist ein wunderschönes, ruhiges und beinahe romantisches Akustikstück, das mit zum Besten gehört, das Åkerfeldts Genius hervorgebracht hat und in dem er Sphären erreicht, die bisher Giganten wie JETHRO TULL vorbehalten waren. In eine ähnliche Kategorie fällt "The Seventh Sojourn", in dem die Band mit orientalischen Harmonien experimentiert und damit zumindest bei mir euphorische Reaktionen auslöst.

Bestechend an "Sorceress" ist vor allem eines - nicht nur im Direktvergleich mit vielen eigenen Vorgängeralben, sondern auch mit Mitbewerbern im Musikzirkus: Die unheimliche Selbstsicherheit, mit der die Musiker solch ein Album auf die Beine stellen. Was für viele Bands ein Lebenswerk wäre, braucht bei OPETH zwei Jahre. Und da haben wir über die gnadenlos großartige Performance aller (!) Musiker, die zeitlos gute Produktion oder das hübsche Cover noch gar kein Wort verloren. Es zeigt sich also, dass echte Kreativität, seltenes Talent, eine klare Vision und harte Arbeit durch nichts zu ersetzen sind. Deshalb sind OPETH da, wo sie sind, und da gehören sie verdientermaßen auch hin. Ich bin ernstlich gespannt, wie Åkerfeldt ein so in sich ruhendes, aber gleichzeitig spannendes und durch und durch musikalisches Album toppen wird. Wenn er das schafft, darf er im Rockolymp meinetwegen nicht nur im Staub vor Lemmys Füßen sitzen, sondern sogar neben ihm.

Bewertung: 4.5 / 5.0 – Florian Dammasch

 


 

Einleitung
Captain Critical
Lucas Prieske
Mike Seidinger
Manuel Ennser
Christian Wilsberg
Florian Dammasch
Anthalerero
Phillipp Annerer
Sonata


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