Der Stormbringer Jahresrückblick 2016

REDAKTIONSRÜCKBLICK 2016: BRIGITTE SIMON

2016 – ein annus horribilis für die Musikwelt. Das wurde schon im Januar nach David Bowies Tod beschlossen und jeder folgende Todesfall trug zum "2016 sucks!" Tenor bei. Nüchtern betrachtet, hätte man selbiges schon über 2015 sagen können (auch wenn es so manche vergessen zu haben scheinen, Lemmy Kilmister war kein "Opfer von 2016") und die kommenden Jahre werden kaum besser werden, was das Dahinscheiden großer Namen aus Musik, Film und TV betrifft.

 

Doch nun zu einem erfreulicheren Thema. Das Jahr 2016 hatte Rock und Metal Fans etliche sehr gute Veröffentlichungen zu bieten.

Ein Rückblick gleich zu Jahresende fällt etwas schwer, schon alleine weil man gar nicht die Zeit hat, alle Veröffentlichungen zu hören und so auch sicher einige ausgezeichnete Alben unbeachtet bleiben. In mache andere Alben hört man nur kurz hinein und stellt fest, dass man (noch immer) nichts mit dieser Musik anfangen kann. KORN, ASKING ALEXANDRIA, DEFTONES, KILLSWITCH ENGAGE, THE DILLINGER ESCAPE PLAN, OF MICE & MEN, SABATON und HELLYEAH sind absolut nicht meins. Ebensowenig kann ich mich für Tobias Sammets aufgeblasene AVANTASIA Kitschorgie begeistern, egal wie gut manche der Gäste sind.
So ein persönlicher Rückblick ist natürlich äußerst subjektiv. 2016 hatte aber für alle Geschmäcker etwas zu bieten (ob Leute die EISWERK gut finden überhaupt Geschmack haben, sei dahingestellt). Vor allem für hoffnunglose 'old school' Rock- und Metalfans war es ein sehr gutes Jahr mit etlichen ausgezeichneten Veröffentlichungen.

 

Die 10 besten Alben:

1) HANSEN & FRIENDS "XXX – Three Decades in Metal"
Wo Kai Hansen drauf steht ist auch Kai Hansen drinnen. Sein Soloalbum trägt seine unverkennbare Handschrift. Eingängige Melodien, Killerriffs und großartige Soli belegen seinen scheinbar unfehlbaren Geschmack als Musiker. Der wohldosierte, augenzwinkernde Humor ist ein weiteres Merkmal, das Hansen und sein Werk so sympathisch macht. "XXX – Three Decades in Metal" ist ein rundum gelungenes Album, an dem alle Hansen-Fans eine Freude haben dürften.

2) ANTHRAX "For All Kings"
1986 gilt als das Jahr des Thrash Metal, aber auch 30 Jahre später ist Thrash "alive and kickin'". MEGADETH scheinen noch immer viele Anhänger zu haben, die Riffs auf "Utopia" sind zwar nicht schlecht, aber Mustaines Gesang wird immer unerträglicher. METALLICA haben mit "Hardwired… To Self-Destruct" zwar ein insgesamt solides Album abgeliefert, aber auch hier liegen die besten Zeiten der Band in der Vergangenheit. Anders bei ANTHRAX, die sich aktuell als beste Band der Big Four entpuppt, dank guter Songs, guten Musikern und vor allem auch Joey Belladonna, der stimmlich in einer geradezu beindruckenden Verfassung ist.

3) DEATH ANGEL "The Evil Divide"
Auch andere Thrash Metal Bands der 80er Jahre zeigen weniger Verschleißerscheinungen als dreiviertel der Big Four. Dazu gehören DEATH ANGEL, die seit ihrem Comeback immer wieder mit sehr guten Alben auf sich aufmerksam machen und auch das exzellente "The Evil Divide" ist da keine Ausnahme.

4) PRONG "X – No Absolutes"
Bereits im Januar erschienen, erst Ende November gekauft und es bleibt sicher nicht das einzige PRONG Album in meiner Sammlung. Eine großartige Live-Band, die sich, was ihren musikalischen Output betrifft, gerade auf einem Höhenflug befindet. Vier Alben seit 2012 und nächstes Jahr soll vielleicht schon das nächste kommen.

5) SODOM "Decision Day"
In Deutschland sind die Altmeister des Thrash Metal ebenfalls in Hochform. Neben einem sehr gelungenen Album von DESTRUCTION gab es dieses Jahr wieder einmal ein kompromissloses Album von SODOM im altbewährten Stil. Aber wie heißt es so schön: "If it ain't broke, don't fix it!"

6) TESTAMENT "Brotherhood of the Snake"
Die Interviews die diverse Bandmitglieder zum Album gaben, klangen manchmal nahezu apologetisch, doch davon sollte man sich nicht beirren lassen. Auch wenn es im Hintergrund ein paar Schwierigkeiten gab und das Album eilig aufgenommen wurde, das Resultat überzeugt auf ganzer Linie.

7) CHEAP TRICK "Bang Zoom Crazy... Hello"
Es muss ja nicht immer Heavy Metal sein. CHEAP TRICK ist eine Band für die sich viele Metalmusiker- und –fans begeistern können. Das aktuelle Album (das erste ohne Drummer Bun E. Carlos, dessen Platz Ricks Sohn Daxx Nielsen übernommen hat) zeigt sie auch nach 43 Jahren als Band in Topform.

8) VARDIS "Red Eye"
Nicht nur 80er-Jahre Thrash Bands, auch Bands der NWoBHM waren dieses Jahr sehr präsent. Ob DEMON, GRIM REAPER, DIAMOND HEAD oder QUARTZ, sie alle zeigten, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Besonders gut: VARDIS, die ihr erstes Studioalbum seit 30 Jahren veröffentlichten, das den Vergleich mit den klassischen Alben der Bands nicht zu scheuen braucht.

9) TYGERS OF PAN TANG "Tygers of Pan Tang"
Auch wenn außer Robb Weir (und selbst er war nicht immer Mitglied der Band) schon lange kein originaler Tyger mehr dabei ist, sollte man auch diese während der NWoBHM gegründete Band noch nicht abschreiben.

10) SPIRITUAL BEGGARS "Sunrise To Sundown"
"Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust" – während ARCH ENEMY Melodic Death Metal spielt mit dem selbst manche Metalfans wenig anfangen können, lebt Michael Amott mit seiner anderen Band, SPIRITUAL BEGGARS, seine 'kommerziellere' Seite aus und präsentierte ein eingängiges und sehr solides Album.

Honourable mentions: DEMON "Cemetery Junction", DESTRUCTION "Under Attack", DIAMOND HEAD "Diamond Head", FLOTSAM & JETSAM "Flotsam & Jetsam", HERMAN FRANK "The Devil Rides Out", GRIM REAPER "Walking In The Shadows", IMPERIAL STATE ELECTRIC "All Through The Night", OPETH "Sorceress", AXEL RUDI PELL "Game of Sins", QUARTZ "Fear No Evil", RAGE "The Devil Strikes Again", RUNNING WILD "Rapid Foray", SUICIDAL TENDENCIES "World Gone Mad", VEKTOR "Terminal Redux", WITCHERY "In His Infernal Majesty's Service"

 

Bestes Debütalbum eines Newcomers: TYRON "Rebels Shall Conquer"
Zwar sind auch die Alben von HANSEN & FRIENDS und ROCK WOLVES Debüts, da es sich hierbei aber schon um alte Hasen handelt, soll an dieser Stelle der musikalische Nachwuchs gewürdigt werden. Die Wurzeln von TYRON reichen zwar auch schon acht Jahre zurück, aber nun erschien das Debütalbum, das viel Gutes für die Zukunft erhoffen lässt.
 

Beste Single: DOUBLE CRUSH SYNDROME "Die For Rock N' Roll"
Physische Singles sind in der Regel nicht so attraktiv wie Alben. Ein Song der ohnehin auf einem Album erscheint und als b-side dessen Instrumentalversion bzw. langweiliger Remix oder einfach irgendein Song, der nicht einmal als Füller für ein Album taugt, sind zu wenig um zum Kauf zu bewegen. DOUBLE CRUSH SYNDROME machten es richtig: eine Single als Vorgeschmack auf das Album, mit einem guten Song als exklusiver b-side, das Ganze noch dazu in ansprechender Aufmachung präsentiert, da schlägt man doch gerne zu.
 

Beste EP: VOIVOD "Post Society"
Auf dieser EP gibt es die ersten Aufnahmen mit der aktuellen Besetzung, die schon viel Gutes für das nächste Album verspricht. Neben dem Titelsong und drei weiteren, die auch als Singles erschienen sind, gibt es eine kleine Hommage an Lemmy – ein Cover des Hawkwind Klassikers "Silver Machine".
 

Hässlichstes Cover: METALLICA "Hardwired... To Self-Destruct"
Geschmack last sich offenbar nicht mit Geld kaufen, denn am Budget dürfte es nicht gelegen haben, dass METALLICA hier mit einem der scheußlichsten Cover der Musikgeschichte aufwarten. Die Idee ist zudem nicht sonderlich originell, sondern erinnert an andere Cover, etwa "Forever Changes" von LOVE, das zwar auch kein Meisterwerk ist, aber immerhin nicht so billig aussieht wie diese Beleidigung für die Augen.
 

Bestes Cover: VOIVOD "Fall" (Single)
Wenn man METALLICAs Abscheulichkeit mal außer Acht lässt, so findet man gerade im Heavy Metal sehr viele handwerklich gut gemachte und teilweise sehr aufwändige Cover, die aber trotzdem manchmal nicht aus der Masse herausstechen. Dieses Jahr war auch bei so manchen Singles ein erfreulich hohes ästhetisches Niveau festzustellen. Besonders beeindruckend ist das VOIVOD Cover zu "Fall" (eine split 7" mit ENTOMBED A.D. "Gospel of the Horns" auf der anderen Seite), bei dem Drummer Michel 'Away' Langevin wieder einmal sein künstlerisches Talent unter Beweis stellte und es mit relativ wenigen dynamischen Strichen schafft Atmosphäre zu vermitteln.
 

Schlechtestes Video: ANTHRAX "Blood Eagle Wings"
Ähnlich fürchterlich: "The Threat Is Real" und "Dystopia" von MEGADETH sowie "Spit Out The Bone" von METALLICA. Eventuell können jüngere Leute etwas mit der Ästhetik dieser Videos anfangen, mir gefallen sie überhaupt nicht. Die Gewaltdarstellungen sind schon längst eher langweilig als schockierend und im Fall von ANTHRAX passt es so gar nicht zur Band (auch wenn es der "blood eagle" nahelegt).
 

Bestes Video: DEATH ANGEL "Lost"
Mit einem Performancevideo kann eine Band eigentlich nicht viel falsch machen. Die gibt es zwar wie Sand am Meer (auch 2016, von METAL CHURCH "Needle And Suture" über TYGERS OF PAN TANG "Only The Brave" bis "On Top Of Mt. Whateverest" von DOUBLE CRUSH SYNDROME, um einige gute Beispiele zu nennen), dennoch gibt es immer wieder welche die sich vom Rest abheben. So auch das Musikvideo zu "Lost" von DEATH ANGEL, das neben der Band auch drei begleitende Geschichten zum Song zeigt. Das Besondere an diesem Schwarzweiß-Video ist der wirklich geschmackvolle Einsatz stilistischer Mittel, insbesondere der Beleuchtung und des Einsatzes von wenig Grautönen während der Bandaufnahmen, was sehr ästhetisch anspruchsvolle Bilder schafft, aber auch der Kamerafahrten, die verhindern, dass das Video zu statisch wirkt.

 

Bestes Lyric Video: DESTRUCTION "Second To None"
Lyric Videos sind meistens nur eins: langweilig. Eine der wenigen Ausnahmen ist das zu DESTRUCTIONs "Second To None", wo der weitere Input die Aussage der Lyrics verstärkt. Nur weil man negative Kritik übt bzw. etwas oder jemanden nicht mag, ist man noch lange kein Hater, aber es gibt viel zu viele Menschen, die scheinbar nichts besseres mit ihrem Leben anzufangen wissen, als provokativen Mist zu posten, ihrer krankhaften Abneigung gegenüber einer Sache oder Person zu frönen oder andere Menschen zu drangsalieren. Für Trolls, Hater und Cyberbullys gibt es nicht nur die Lyrics zum mitlesen, sondern mit dem Song und Video gleich Stoff über den sie sich aufregen können.

 

Nervigster Song: DISTURBED "The Sound of Silence"
Das sicherste Rezept für einen Hit: man nehme einen zeitlos guten Song, macht eine auf ein Mainstreampublikum zugeschnittene Coverversion und mit ausreichend finanzieller Unterstützung des Labels kann eigentlich gar nichts mehr schief gehen, egal wie subpar diese Version ist. An "The Sound of Silence" von DISTURBED führt seit dem Ende des Vorjahres kein Weg vorbei. Es gibt zahlreiche Coverversionen, die ernst gemeinte Hommagen, lustig oder originell sind, aber auch eine Unmenge an sehr schlechten, darunter auch völlig uninspirierte, die verdächtig nach kalkuliertem Welthit riechen. Im Simon and Garfunkel Original einer der schönsten Songs der Popgeschichte, wurde "The Sound of Silence" bei DISTURBED zu einer seelenlosen 08/15 Nummer.
 

Mixtape des Jahres:

Da es schlicht und einfach zu viele gute Songs gibt, um ein paar wenige in einem Ranking anzuführen und die Auswahl und Reihung auch stark von der Tagesverfassung abhängt, hier stattdessen ein altmodisches 90-minütiges Mixtape mit ausgewählten Songs:

Seite A:

SPIRITUAL BEGGARS "Sunrise To Sundown"
ANTHRAX "Breathing Lightning"
DOUBLE CRUSH SYNDROME "Die For Rock N' Roll"
VARDIS "Paranoia Strikes"
HANSEN & FRIENDS "Contract Song"
CHEAP TRICK "No Direction Home"
TYGERS OF PAN TANG "Only The Brave"
EXUMER "Catatonic"
PRONG "Ultimate Authority"
VOIVOD "Post Society"

Seite B:

GRIM REAPER "From Hell"
METAL CHURCH "Killing Your Time"
DESTRUCTION "Thrash Attack"
TESTAMENT "Born In A Rut"
DEATH ANGEL "Lost"
FLOTSAM AND JETSAM "Seventh Seal"
SODOM "Bellingerance"
OBITUARY "Ten Thousand Ways To Die"
WITCHERY "Lavey-athan"
TYRON "Hollister Riot"

 

Ein persönliches Highlight war das großartige "Battle of the Bays" Konzert in Wien inklusive Interview mit EXODUS Bassisten Jack Gibson.

 

2017 scheint wieder ein vielversprechendes Jahr zu werden. Neben Alben von GAVE DIGGER (VÖ 13.01.), KREATOR (VÖ 27.01), KROKUS (VÖ 27.01), OVERKILL (VÖ 10.02) und DOUBLE CRUSH SYNDROME (VÖ 17.03.), welche die ersten Monate rocken werden, sind auch neue von ACCEPT, CARCASS, THE DARKNESS, EXODUS, JUDAS PRIEST, OBITUARY, PRONG, SAXON, VOIVOD, WITH THE DEAD und einigen mehr geplant, die ich mit Vorfreude und Spannung erwarte.

 

 



Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Jahresrückblick der Stormbringer-Leser
Seite 3: Redaktionsrückblick: Anthalerero
Seite 4: Redaktionsrückblick: Bender
Seite 5: Redaktionsrückblick: Brigitte Simon
Seite 6: Redaktionsrückblick: Captain Critical
Seite 7: Redaktionsrückblick: Christian Wiederwald
Seite 8: Redaktionsrückblick: Christian Wilsberg
Seite 9: Redaktionsrückblick: Daniel Csencsics
Seite 10: Redaktionsrückblick: El Greco
Seite 11: Redaktionsrückblick: Florian Rosenberger
Seite 12: Redaktionsrückblick: Inhonorus
Seite 13: Redaktionsrückblick: Jazz
Seite 14: Redaktionsrückblick: Joxe Schäfer
Seite 15: Redaktionsrückblick: Kalti
Seite 16: Redaktionsrückblick: Laichster
Seite 17: Redaktionsrückblick: Lisi Ruetz
Seite 18: Redaktionsrückblick: Lucas Prieske
Seite 19: Redaktionsrückblick: Luka
Seite 20: Redaktionsrückblick: Manfred
Seite 21: Redaktionsrückblick: Manuel Ennser
Seite 22: Redaktionsrückblick: Mike Seidinger
Seite 23: Redaktionsrückblick: Pascal Staub
Seite 24: Redaktionsrückblick: Thomas Patsch


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