Flusensieb #2 - 10 Platten im Schnelldurchlauf

Veröffentlicht am 26.02.2017

In einer Welt, in der Bands sprießen wie Pilze in Super Mario World, wandert auch bei einem hochmotivierten Magazin wie dem Stormbringer (Eigenlob mit Blumenduft) versehentlich mal ein schmackhafter Pfifferling in den Eimer mit den Fliegenpilzen statt ins Review-Menü. Mit dem Flusensieb sei zehn dieser fast übersehenen Werke eine letzte Chance gegeben, auch von sturmbringender Seite etwas Aufmerksamkeit zu erhalten. Viel Spaß mit der Mischung aus Power, Death, Punk, Black, Mittelalter, Thrash und Progressive Metal!

 

 

I Am God“ behauptet FRASER EDWARDS und man möchte antworten: „Du bist eine monströse Kreuzung aus crazy Japano-Anime, Nintendo-Jump-'n'-Run und der Nyan Cat mit klischeeigem Power Metal der poptriefenden Regenbogeneinhornglitzerkitsch-Kategorie! Eine Welt, in der der du Gott bist, würde sich nach circa 38 Minuten grell blinkender Katzenbaby-Emojis of Epicness selbst in die Kitschokalypse stürzen. Danke für diese Ausgeburt der grenzwertig unerträglichen WTF-Freakigkeit, du weirder Schotte!“ (jazz)

 

CARCARIASS: Diese französischen Haudegen des Technical Death Metal verzichten möglichst auf menschlichen Gesang und mischen ihren Sound eiskalt ab. So kalt wie der hochtechnisierte Blech-Arsch eines Roboters, der verdammt geil komplexe Tonfolgen auf seiner Gitarre spielen und dabei den Haushalt erledigen kann – was letztendlich zur „E-xtinction“ des Menschen führen wird – dieser evolutionär längst überholten Fehlkonstruktion aus unshiny Wabbel-Materie. (DH)

 

SEPULCHRAL CURSE wollten laut Labelinfo etwas total Erfrischendes machen und ihre Death Metal Wurzeln mit progressiven und von vielen unterschiedlichen Bands beeinflussten Sounds ergänzen. Herausgekommen ist ein dumpfes Stück Midtempo Death Metal mit abgrundtiefen und eintönigen Gruftvocals, gespickt mit typisch skandinavischen Melodien. Das Labelinfo kann man in die Tonne werfen, denn auf „At the Onset of Extinction“ gibt es dunklen Death Metal und sonst nichts. (M.E.)

 

„Krawallo, Karacho, ein Thrash-Troll – olé! Ein WYRUZ, aus Norway, mit Schreikrampf – ohje. Der Sänger, Herr Larsen, ein Tiger – ohyeah. Die Scheibe, ist Death-Thrash vom Feinsten – okeah?“ Dieses Gedicht wurde 2016 im Rahmen einer siebenwöchigen Projektarbeit mit dem Thema „T(h)rash-Kapellen in Norwegen – Wallfahrtsorte der Müllverbrennung“ verfasst, die zur Wiedereinführung der Prügelstrafe führte. Don’t „Judge and Jury“ – Drink and listen! (DH)

 

Dem Standardmaßstab für Punkbands zufolge handelt es sich bei einer Kapelle mit acht Mitgliedern bereits um einen besorgniserregenden Menschenauflauf. Bei TEKSTI-TV 666 sind fünf bis sechs davon außerdem ‚der Gitarrist’. Punk findet auf „1, 2, 3“ ganz unerwartet statt. Anstelle wütenden Gebrülls kann man die RAMONES und HELLACOPTERS in bunten Surfshorts bestaunen, kaum sichtbar hinter einer wohlig weichen Nebelwand. Da hinten irgendwo rocken sie – in einem Array aus 700 Effektgeräten, die den Hörer von einer illusorischen Hall-all-all-all – Halle von der Größe eines K-Hole überzeugen. (DH)

 

Als der Zombievirus die Welt erschütterte, wurden die Infizierten reduziert auf ihre basalen Instinkte. Für die meisten bedeutete das Fressen, doch für die zombifizierten ukrainische Jazzkapelle BALANCE INTERRUPTION bedeutete es, weiterhin Musik zu machen. Immer wieder brechen in den brutal-chaotischen Black Metal Jazz-Elemente wie zum Beispiel ein Saxophon durch. Song für Song steigert sich „Door 218“ in einen fieberwahnhaften Alptraum hinein, der in seiner Experimentierfreude auch vor EBM und EDM nicht halt macht, und erschafft ein ganz besonderes klangästhetisches Kunstwerk. Prädikat: besonders wertvoll! (jazz)

 

„Durch diese hohle Erde muss er kommen. Es führt kein andrer Weg nach Atlantis!“ (Wilhelm Tell, Schweizer Verschwörungstheoretiker und Pilzforscher). Es sei euch gesagt: Werfet eure Heavy-Psych-Bong an und diese regenbogenfarben schimmernde CD ein. Sodann soll euch die wahre Emptiness des mycelbewucherten Universums beim Sightseeing auf der „Hollow Earth Tour“ mit Admiral Byrd und seinen Mannen von GLITTER WIZARD gewahr werden. (DH)

 

Figure The 8“ von PRAY U PREY: Hier haben sich mal wieder Musiker aus zwei Bands besonders lieb und gründen zusammen eine Band. Das Ergebnis ist ein netter Batzen Death/Thrash Metal. Ziemlich rhythmusbetont ballern uns die Herren ihre sauber produzierten Songs vor den Latz. Nicht wirklich außergewöhnlich, aber auch nicht wirklich schlecht. Definitiv ein Album, dem man eine Chance geben sollte, vorausgesetzt man stört sich nicht am Gesang. (M.E.)

 

HAGGEFUGG sind eine Rock bis Metal gewordene Alkoholvergiftung im Gewandt popkulturell aufgearbeiteten Mittelalters. Der von Sackpfeifenmelodien getragene Lobgesang auf Lebenslust, Völlerei und vor allem Met erhält seine dringend notwendigen Trinkpausen durch fremdsprachige Klassiker des Mittelalter-Rocks. Da Bandliebe in ritterromantischer Marktatmosphäre durch die honigweingeschwängerte Leber geht, beschreitet der Erstling „Metgefühl“ einen verdient erfolgsversprechenden Weg, der hoffentlich auf der zweiten Platte neben der musikalisch bereits vorhandenen Vielfalt auch inhaltlich etwas mehr Bandbreite bereithält. Bis dahin: Hoch die Trinkhörner, runter der Met! (jazz)

 

STARCHITECT schenken uns mit „Shift“ die Einladung zu einer 39-minütigen Reise ins kalte, geometrisch konstruierte Herz des Progressive Metal. Neben angenehm zurückhaltenden polyrhythmischen Experimenten erwarten den Hörer komplexe und gleichzeitig stark hypnotische Muster. Space-Atmosphäre trifft auf Post-Rock-Gitarren, während der verzweifelte Schrei nur kurz als akzentuierender Gast vorbeischaut. Verstörend schön sticht der tanzbare Remix „Interlocutor“ heraus. Klingt wie MASTODON und INTRONAUT in homöopathischer Verdünnung – nur ganz ohne Zucker. (DH)

 


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