WINTERSUN - das 'The Forest Seasons' Gangbang-Review

Mal grübeln, ob mir eine ähnlich präsente Band einfällt wie WINTERSUN, welche in 14 Jahren seit Bandbestehen gerade einmal drei Studioalben veröffentlicht hat. Die Betonung liegt auf "präsent", denn obwohl so wenig Songmaterial wie bei keiner anderen Band vorherrscht, so sind die Finnischen Düstermetaller trotzdem nicht aus der Szene wegzudenken. Touren und Festivalgigs liefern die Mannen um Mastermind Jari Mäenpää ja zur Genüge ab. Nein, fällt mir nicht ein. Noch bewundernswerter ist, dass der lange Erfolg (hier definiere ich Erfolg nicht monetär) eigentlich tatsächlich noch immer vom donnerschweren Debüt ausgeht. Was waren aber auch "Sleeping Stars", "Battle Against Time", "Starchild" und vor allem "Winter Madness" für Bastarde! Das lange ersehnte Zweitwerk "Time" konnte dahingehend, zumindest bei mir persönlich, seinem Namen keine Ehre machen. Obwohl zweifelsohne ein Opus Magnum und hörbares Herzensprojekt, so hat es bei mir keinen bleibenden und nachhaltigen, zeitlosen Eindruck hinterlassen. Umso freudiger reagierte ich, dass es sich beim neuen Album "The Forest Seasons" eben nicht um das angekündigte "Time II" handelt. Nach ein paar Durchläufen kann ich nun sagen, auch dieses Album kommt nicht an "Wintersun" heran, ist aber dennoch ein gutes Stück zugänglicher als "Time". Und außerdem ist es das bisher düsterste Album der Bandgeschichte.

Ja richtig gelesen, nachdem sich "Time" recht avantgardistisch, opulent, aber zugleich unerträglich aufgeblasen und lasch präsentierte, so wird hier wieder versucht, die düstere Stimmung des Originals zu erreichen. Auch an der Brachialität wurde wieder geschraubt. Das Konzept des Albums ist schnell erklärt, einfach auf die Untertitel der Songs schielen, welche da lauten "Spring", "Summer", "Autumn" und "Winter". So wird jeder Jahreszeit versucht, ein eigenes musikalisches Gesicht zu verpassen. Springen wir mal zu meiner Lieblingsjahreszeit "Autumn" und dem Stück "Eternal Darkness", welches sich für WINTERSUN Verhältnisse so nah am Black Metal bewegt, wie noch keines zuvor. Bei stolzen 14 Minuten Spielzeit gibt's davon gefühlt mindestens zehn Minuten mit Blastbeats auf die Fresse - ohne dass sich das Gefühl der Monotonie einstellt. Das Stück ist im Grundgerüst nordisch schwarz, durch die bandeingenen Trademarks und symphonischen Spielereien erreicht es allerdings eher eine gewisse Nähe zu DIMMU BORGIR. Was aber nichts Negatives zu bedeuten hat, schließlich wurde bei WINTERSUN, ähnlich wie beim Blockbuster, nicht mit Produktionswerten gegeizt. Das Spannungsniveau wird dadurch konstant hoch gehalten. Kracher!

Noch besser der, passend zur Jahreszeit, wesentlich buntere Opener "Awaken From The Dark Slumber". Hier muss von ganz großer musikalischer Erzählkunst gesprochen werden. Im Intro noch kalt und winterlich, startet der Song bei Einsatz der Band mit Black-Schlagseite inklusive schönem Gekeife und CRADLEscher Gruselharmonik ("The Forest Whispers My Name", anyone?). Allerdings geht es beim Frühling in erster Linie ums Aufblühen, und so nimmt der Song im Laufe der Spieldauer immer mehr Melodie an, drückt aufs Gaspedal, Chöre nehmen zu und alles explodiert in einem farbenfrohen Finale. So geht das, so hat das BEDRICH SMETANA auch nicht anders gemacht. Ganz großes Kino und in meinen Augen der bislang allerbeste Song der Bandgeschichte!

Wo der Frühling ganz große musikalische Finesse beweist, um so banaler ist der Sommer. WINTERSUN sind immer komplex und progressiv im Songwriting (was sie direkt von Mäenpääs ENSIFERUM-Zeit unterschied), aber "The Forest That Weeps" ist platt! Wie kann ein 12:18 Minuten andauernder Song platt sein? Indem man einen ganz stinknormalen Songaufbau nimmt (Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, C-Teil, Refrain, Finale) und die einzelnen Parts einfach mit Wiederholungen aufbläst. Dabei ist der Hauptpart des Songs alles andere als schlecht - simpel, aber mörderisch eingängig. Bis dann allerdings das C-Teil Harfenthema einsetzt, welches über die nächsten fünfeinhalb Minuten dynamisch variiert wird. Verstehe ich nicht, weder musikalisch noch erzählerisch. Vielleicht bin ich einfach zu doof, aber ohne das ewige Geklimpere wäre das hier ein echter "Sommer"-Hit (Sorry, ich habe wirklich versucht, das Wortspiel zu vermeiden...)

Bleibt noch der Winter in Form von "Loneliness", welches seinem Namen alle Ehre macht und mächtig Melancholie und Kälte verprüht. Der langsamste Song der neuen Scheibe, leider aber auch weniger dynamisch als der Rest und hauptsächlich von Clean-Gesang geprägt, der mal absolut dominant, manchmal aber auch unpassend jammerig tönt. BORKNAGAR trifft "Time", irgendwie. Richtig Emotion wie bei den Highlights will nicht aufkommen.

Fazit: zwei Mal "gut", zwei Mal "sensationell". Mit WINTERSUN ist noch zu rechnen, und wenns nach mir geht, haut in zwei Jahren die nächste Crowdfunding Platte raus und lasst die zweite "Time" einfach vor sich hin köcheln. Brauch ich nicht, ganz anders als "The Forest Seasons"!

4 / 5


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Christian Wiederwald
Seite 3: Laichster
Seite 4: Christian Wilsberg
Seite 5: Sonata
Seite 6: Pascal Staub
Seite 7: Daria Hoffmann
Seite 8: Anthalerero
Seite 9: Fazit


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