Das Metalmuseum: LINKIN PARK - Hybrid Theory

Veröffentlicht am 08.08.2017

"I tried so hard and got so far
But in the end it doesn't even matter
I had to fall to lose it all
But in the end it doesn't even matter"

"Ich habe es so sehr versucht und bin so weit gekommen
doch letztendlich ist das nicht mal von Bedeutung
Ich musste fallen um alles zu verlieren
doch letztendlich ist das nicht mal von Bedeutung
"

LINKIN PARK - In the End (2000)


Manchmal passieren Dinge, die keiner hat kommen sehen wollen, im normalen Leben sowie auch in der Welt der Musik. Eigentlich sollte heute ein ganz anderer Eintrag für das Metalmuseum erscheinen, doch im Hinblick auf die Ereignisse der letzten Wochen ist es wohl nötig, einen anderen Beitrag vorzunehmen. Chester Bennington, der charismatische Frontmann von LINKIN PARK ist tot. Aufgefunden am 20. Juli 2017 in seinem Haus in Palos Verdes, Kalifornien, verloren an diesem Tag viele Musikbegeisterte einen Helden ihrer Jugend. Einen Mann, dessen Gesang die Teenager-Tage vieler prägte und sie durch schwere Zeiten begleitete, den oft trüben Alltag erhellte und vielleicht auch Trost spendete in Zeiten, wo es sonst keinen gab.
Genauso viele hat Chester und in diesem Zusammenhang natürlich LINKIN PARK aber auch langsam an die härtere Riege der Musik herantasten lassen. Mit ihrem bereits von Beginn an massentauglichen, aber vergleichsweise harten Sound, der sich von anderen Bands, die der damalige Jugendliche im Alltag so zu hören bekam, abhob, wurde LINKIN PARK innerhalb kürzester Zeit zu einem weltweiten Phänomen, das für zumindest ein Jahrzehnt die Massen fast durchwegs begeistern konnte und ein gigantisches Kult-Following quasi aus dem Boden stampfte.
Vor allem das erste Album der Band, "Hybrid Theory" ist an diesem kometenhaften Aufstieg nicht unschuldig. Ja, die Ära des Nu Metal erreichte im Jahr 2000 zwar langsam ihren Zenit, doch "Hybrid Theory" schlug damals noch einmal so richtig ein und brachte mit seiner Kombination aus harten Gitarrenriffs und Sprechgesang den Hypetrain (sagte man das damals auch schon so? Keine Ahnung.) noch einmal mächtig ins Rollen. Ja, eine Legende war geboren. Auch wenn dieser Stern am Himmel in den letzten Jahren zumindest für die Anhänger des Metal deutlich an Glanz verlor, so hatte die Band zumindest symbolisch für viele immer noch einen großen Wert, ein Symbol für eine Generation Jugendlicher, die versuchten, aus ihrem ernüchternden Alltag auszubrechen und sich zu entfalten, Grenzen zu überschreiten und eine neue Zeit einzuleiten. Mit dem Tod Chester Benningtons geht nun also eine Ära zu Ende und die Trauer, die durch die gesamte Musikwelt ging, war deutlich zu spüren. "Hybrid Theory" war aus heutiger Sicht vielleicht kein perfektes Meisterwerk, das über jeden Zweifel erhaben ist, so etwas gab es auch nur sehr selten. Doch hatte es etwas, das die Herzen der Menschen berührte und dazu führte, dass LINKIN PARK einer der größten Namen im Musikgeschäft wurde. Mehr als Grund genug also, das gute Stück in die Riege des Stormbringer'schen Metalmuseums einzuführen und den Musikern dahinter die Ehrung zukommen lassen, die sie dafür verdient haben.

Was die wenigsten wissen ist, dass der Erfolg der Band weit nicht über Nacht kam. Tatsächlich war sie bereits vier Jahre vor "Hybrid Theory" unter dem Namen XERO von Mike Shinoda und Brad Delson, die sich ursprünglich bereits von der High School kannten, gegründet worden. Auslöser dafür war der gemeinsame Besuch eines Konzertes der Thrash Metal-Legenden ANTHRAX zusammen mit PUBLIC ENEMY gewesen. Die dort gezeigte Fusion aus harten Metal-Elementen und Sprechgesang, wie man ihn vom Hip Hop eben kennt, hatte die beiden wohl auch maßgeblich bei ihrem zukünftigen Schaffensweg inspiriert. Komplettiert wurde die junge Band vorerst durch Rob Bourdon, Mike Shinoda's Studienkollegen Joseph Hahn, David Farrell, dem damaligen Mitbewohner von Brad Delson und dem ersten Sänger der Band, Mark Wakefield, welcher sich allerdings nach der ersten aufgenommenen Demo schnell wieder von den anderen Musikern trennte. Nun stand man vor einem Problem, man brauchte schleunigst einen neuen Sänger. Über Ecken und Kanten erfuhr man dann jedoch von einem jungen Ausnahmetalent mit einer außergewöhnlichen Stimme, das perfekt für diesen Job schien. Sein Name: Chester Bennington.
Nach Anfrage der Band schloss sich besagter junger Musiker drei Tage in einem kleinen Studio ein, um die Songs der anderen neu einzusingen. Einmal kurz über das Telefon vorgespielt (jaja, damals war noch alles anders) und die Band, die nun den Namen HYBRID THEORY tragen sollte, war geboren. Durch das Mitwirken von Jeff Blue, einem Manager des damaligen Labels der Band, der im Jahr 2000 zu Warner Music wechselte, hatten HYBRID THEORY schnell auch quasi einen Fuß in der Tür eines großen Labels und bekamen genauso schnell einen Plattenvertrag von Warner Brothers/WEA angeboten, welchen sie auch tunlichst annahmen. Ja, manchmal ist einem das Universum einfach hold. Nun musste nur noch ein Debütalbum her. Gut, dass die Band bereits eine zweite, heute als Sammlerstück gesuchte EP aufgenommen hatten, von der viele Lieder auch auf dem Debütalbum "Hybrid Theory" zu finden sind. Das Writing für weitere Songs und die Promotion waren bereits im Gange, alles schien perfekt.
Plötzlich stand man aber vor einem neuen Problem: HYBRID THEORY konnte nicht länger der offizielle Bandname bleiben, da dieser schon vergeben war und es möglicherweise zu rechtlichen Schwierigkeiten hätte kommen können. So erhielt das Projekt nach einiger Zeit den Namen, der sich bis heute halten sollte: LINKIN PARK. Eine interessante Trivia dazu ist, dass der Name vom "Lincoln Park" in Santa Monica übernommen wurde. Da dies aber ein sehr geläufiger Name für viele Stadtparks überall in den Vereinigten Staaten war, wurde die Band schnell von verschiedenster Seite, überall in den USA, für eine "lokale" Band gehalten und durch dieses Missverständnis in einem rasanten Tempo staatenweit bekannt - auch erste internationale Fans konnten damals durch das aufkommende Internet schon gewonnen werden. Am 24. Oktober 2000 war es dann endlich soweit: "Hybrid Theory", das erste Full-Length Album von LINKIN PARK, erschien und schlug sofort ein wie eine Bombe. Das Album gilt mit seiner Auszeichnung zum Diamantstatus als das kommerziell erfolgreichste Debütalbum des neuen Jahrtausends und das muss man, nur vier Jahre nach der eigentlichen Gründung, einmal schaffen.

Das Geheimnis der Musik von LINKIN PARK war, dass die Band es schon damals, bei ihrem ersten wirklichen Album verstand, einen optimalen Mittelweg zwischen der Härte des Metals und den rhythmischen Qualitäten des Hip Hop zu finden. Das Instrumental der meisten Lieder ist meistens nicht das, was man ein technisch-spielerisches Meisterwerk nennen könnte, bei dem Gitarrenmonster wie Herman Li ihr Instrument zerschlagen und sich auf die Knie werfen würden, doch das war auch gar nicht nötig. Denn das, was ihre Musik ausmachte, beherrschten LINKIN PARK schon damals wie Meister, nämlich mit einer Kombination aus guten Samples, begleitet von einer kraftvollen Gitarrenuntermalung und einschlagendem Drumming einen brauchbaren Beat zu erschaffen, auf den man sowohl hervorragend rappen konnte, der jedoch auch genügend Wiedererkennungswert hatte, um melodischen Gesang ausreichend zu untermalen. Diese ganze Fusion zwischen Härte und Rhythmus, dem sich der Nu Metal der 90er Jahre verschrieben hatte, dieser damals so dominierende Sound, der wurde hier einfach perfekt auf den Punkt gebracht. Dazu verstand man es dann auch noch, diese ganze Soundkreation so weit zu verändern, dass daraus tatsächlich ein von Anfang an unverkennbarer und ganz eigener Stil entstand.
Auf der einen Seite fühlt man Wut in der Musik, Zorn über das eigene Leben und dessen Umstände, auf der anderen Seite herrscht Melancholie, alles verschlingende Unzufriedenheit. Ein Sound, der damals so wie auch heute noch vielen Menschen, vor allem aber der damaligen Jugendgeneration, nahezu aus der Seele sprach. Ein solches Talent hatten auch schon andere vor Mike, Chester und Co. Kurt Cobain beispielsweise verstand sich ebenfalls vorzüglich darauf, den Stummen dabei zu helfen, ihren Ärger aus sich herauszubrüllen, was nicht zuletzt dazu führte, dass er als Sprachrohr der Jugend in die Geschichte einging, genauso wie LINKIN PARK Jahre danach. Die Grundstimmung und damit das Fundament ihres Erfolges hatten die Musiker also schon einmal gelegt, nun fehlte nur mehr das Organ, das den Geist ihrer Musik in die Welt hinaustrug, und das hätte wohl nicht besser gewählt werden können als hier.

Der Grundstein dafür war ganz einfach gelegt: Ein faszinierendes Zusammenspiel aus technischem Talent und Einzigartigkeit. Die Vocalkombo aus den Herren Shinoda und Bennington brachte nämlich genau das. Zwar mögen die Texte weder unbedingt vor literarischer Raffinesse, noch von einzigartig komplexen Reimketten oder derartigem gesäumt gewesen sein, jedoch wurde etwas ganz Wesentliches hier umso grandioser gemacht: Der Flow in den Strophen. Zu keiner Sekunde ist es anstrengend, dem Rap in der Liedern zu folgen, im Gegenteil, man wird vom Rhythmus richtiggehend gefangen genommen und bleibt dadurch konstant am Ball, bevor in Liedern wie "Papercut" die legendären Hooks des Albums entladen werden, denen durch die einzigartige Stimmfarbe Benningtons die beschriebene Wut und Verzweiflung eingenäht wurden.
Dazu kommt, dass das Zusammenspiel zwischen den beiden Vocalisten auch allgemein einfach hervorragend funktioniert. Besonders wird das in den Momenten ersichtlich, wenn beide gleichzeitig agieren oder sich in kurzer Zeit immer wieder abwechseln ("Forgotten"). Dies alles wusste man nun damit zu kombinieren, was LINKIN PARK bei ihren Hörern so im Gedächtnis bleiben ließ und dafür sorgte, dass sie zu einem Symbol der Jugend wurden: mit der Message in den Texten. Diese schwankten während dem Album immer wieder zwischen den Polen der Wut und der Trauer, was oftmals als unglaubwürdig kritisiert wurde. Doch für viele war dieser Zwiespalt, dieser Mix aus Hass und Unzufriedenheit genau das, was die Hörerschaft wohl tagtäglich durchlebte, in der Schule, im Studium, zu Hause, ganz egal. Mike Shinoda und Chester Bennington gaben diesen tiefen Gefühlen ein Ventil, man konnte sich mit der Band und ihrer Botschaft identifizieren, es fühlte sich an, als wären sie ganz normale Menschen mit normalen Problemen und keine unerreichbaren, unechten Figuren. Nein, für viele waren sie Helden.

Es gibt sicher vieles, was man jetzt noch zum Abschluss über die Bedutung der Band für die moderne Musikkultur sagen könnte, man könnte Kritik daran üben, wie sich die Musiker weiterentwickelten und ob das gut war oder nicht. Was hier letzten Endes aber wirklich Bedeutung hat, ist, dass ihre Musik denen, die sie gehört haben, etwas gegeben hat. Was das war? Nun, höchstwahrscheinlich war das für jeden etwas anderes. Hoffnung, eben ein Ventil für die eigene Wut, oder etwas völlig anderes? Das muss jeder für sich selbst wissen. Zu sagen ist letztlich nur mehr, dass sich LINKIN PARK mit ihrer Musik und vor allem mit "Hybrid Theory" einen Legendenstatus erarbeitet haben, der unvergessen bleibt.
 


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