Das Metalmuseum: MOONSORROW - Voimasta ja Kunniasta

Veröffentlicht am 20.09.2017

"Usein käykin vain niin et' vertaisesta tulee alempi
Tarinan kulku voitoista kääntyy
ja maine ihmisen helposti antaa veljensä unohtaa
"

"Doch so oft wird aus Gleichheit Unterlegenheit.
Der Lauf einer Geschichte wendet sich bei Triumphen
und so einfach lässt Ruhm einen Mann seine Sippe verlassen
"

MOONSORROW - Kylän Päässä (2001)
 

Der rohe Norden, ewige Weiten, die Heldensagen aus längst vergangener Zeit, all das hat allerspätestens seit BATHORY und der Einführung des Viking Metal seinen festen Platz in unserem geliebten Musik-Miniversum gefunden und wird seither, je nachdem wie man es sehen will, in Ehren gehalten und gepriesen oder – die Thematik bereits schlichtweg überstrapaziert – in ein kitschiges Klischee aus "Ehre" und "Heldenmut" gezogen. Egal mit welcher Sichtweise man sich da identifiziert, nicht zu bezweifeln ist, dass sich die Thematik der Nordmänner nach wie vor großer Beliebtheit erfreut, sowohl bei Stars wie AMON AMARTH als auch im kleineren Rahmen bei vielen weniger bekannten, aber dafür umso leidenschaftlicheren Musikern wie EREB ALTOR, denen ihr Erbe ja sichtlich heilig ist.

Und doch, selbst bei so viel Konkurrenz, schaffen es immer wieder Musiker, sich von der Zähne fletschenden, Äxte ziehenden und zum Angriff bereiten Masse loszulösen und etwas zu erschaffen, das alle Augen und Ohren auf ihnen ruhen lässt. Wie ein frischer Herbstwind, der die Bäume der nördlichen Wälder erzittern lässt, kamen plötzlich fünf Musiker aus Finnland über uns, die bis in die heutige Zeit hinein als Speerspitze des Pagan bzw. Folk Metal gesehen werden: MOONSORROW.
Überlange Songs, die trotz ihrer Länge wie im Fluge vergehen, finnische Texte und eine gehörige Portion Epik, klingelt es da bei jemandem? Diese Musiker starteten damals vor 16 Jahren einen Frontalangriff auf die Metalcommunity, indem sie sich, ganz locker, eben mal zwei Alben in einem Jahr aus dem Ärmel schüttelten, die später in die Geschichte eingehen sollten. Zumindest eines dieser Werke MUSS einfach hier, in den gelobten Hallen des Stormbringer'schen Metalmuseums, ausgestellt werden, sonst wäre diese Sammlung schlichtweg nicht komplett.
Die Wahl fiel auf das Werk mit dem Namen "Voimasta ja Kunniasta", oder "Von Macht und Ehre" (wenn man's denn etwas weniger exotisch mag) und es zeigt uns eine Welt fernab von unserer, die dann aber doch nur "ein Dorf entfernt" zu liegen scheint. Lassen wir uns also noch einmal von MOONSORROW in ihre Welt entführen und der Geschichte lauschen, die sie uns zu erzählen haben! Ich kann euch versichern, die Reise lohnt sich, auch wenn ihr nicht ohne die ein oder andere Kriegsnarbe heimkehren werdet (aber dann hat man wenigstens was zu erzählen!).

Man sollte, bevor wir uns dem Album selbst widmen, aber nicht vergessen, dass das Phänomen MOONSORROW weit nicht über Nacht kam. Vor ihrem großen Debüt ließen sich die Musiker aus Finnland genügend Zeit mit der Veröffentlichung eines vollständigen Albums, wurde die Band doch schon im Jahre 1995 von Ville und Henri Sorvali (der seines Zeichens ja auch seit 1998 bei FINNTROLL als Keyboarder mitmischt) gegründet. Der Plan damals? Metal als eine Art der Kunst zu erschaffen, kombiniert mit einer kräftigen Portion heimatlicher Romantik, die in der charakteristischen Herangehensweise an das Heidentum verpackt wird.
Der erste Versuch, diese Idee auch auf einem Medium in die Tat umzusetzen, ließ nicht lange auf sich warten, 1996 war die Zeit für die erste Demo mit dem Namen "Thorns of Ice" gekommen, oder sollte man vielleicht besser sagen, dass sie gekommen wäre? Denn leider verschwand damals auf unerklärliche Weise die Hälfte der Aufnahmen für das gute Stück, weswegen die Idee einer Veröffentlichung zunächst verworfen wurde, eine Demo mit dem schlichten Namen "Promo" blieb ebenfalls unveröffentlicht. Die Welt musste nun bis zum Frühling 1997 warten, um mit "Metsä" die ersten Knospen der Arbeit der beiden Herren aus Finnland zu hören zu bekommen.
Dann, etwa zwei Jahre später, nach dem Release einer weiteren Demo mit dem Namen "Tämä Ikuinen Talvi", begann die Band sich allmählich weiter zu formen und gewann mit Marko Tarvonen einen wirklichen Schlagzeuger für sich. Nun waren die Weichen gestellt und der Aufstieg von MOONSORROW konnte mit dem ersten Album "Suden Uni" beginnen. Noch im selben Jahr schlossen sich Mitja Harvilahti und Markus Eurén dem musikalischen Bund an und schließlich und endlich war es soweit: "Voimasta ja Kunniasta" konnte erscheinen.

So... also wie ist es nun? Dieses Album? Nun, einerseits zeichnen sich die Herren aus Finnland ja dahingehend aus, dass ein Löwenanteil ihrer Songs wesentlich länger ausfallen, als bei den meisten anderen Bands, so sind auf "Voimasta ja Kunniasta" beispielsweise Längen von sieben bis fast vierzehn Minuten nichts was irgendwie außergewöhnlich wäre. Das ist auch hörtechnisch in keinerlei Hinsicht ein Problem, zumal der epische Charakter und die Stimmung, die der Musik innewohnt, einen durch die Lieder tragen, genauso wie unsere Großeltern das in unseren Kindertagen mit ihren Geschichten zu tun vermochten.
Wo wir schon bei fesselnden Geschichten sind... das Intro. Verdammt, das Intro dieses Albums, es gehört zu den schönsten, idyllischten Dingen, die ich je gehört habe. Nicht nur im Folk Metal, wo Intros solcher Art ja nicht ungewöhnlich sind, sondern überhaupt. Man kann das nur schwer in Worte fassen, aber wenn man die Melodie in ein Bild packen müsste, wäre es wohl das eines Sonnenuntergangs, mitten in einem ruhigen Herbstwald. Weitab von den Problemen der Welt und der wirklichen Zivilisation leben dort vereinzelt ein paar Menschen in Harmonie mit der Natur, nahe an einem langsam dahinplätschernden Fluss, umringt von goldenen/braunen Baumreihen, dazwischen tummeln sich Tiere aller Art, die die letzten Sonnenstrahlen vor dem Einbruch der Kälte genießen.

Schönes Bild, oder? Nun ja, der Frieden sollte aber auch hier nicht von allzu langer Dauer sein: Mit einem markerschütternden Schrei beginnt nun das Album tatsächlich und erklärt dem Idyll den Krieg. Wie eine nach Blut dürstende Armee, begleitet vom stampfenden Geräusch ihrer Kriegstrommeln kommt der Metal über dieses so ruhige Land und markiert damit den Anfang eines epochalen, musikalischen Spektakels. Die Musik, die man hier zu hören kriegt, sie zeichnet sich vielleicht nicht dadurch aus, dass sie ein technisch ausgefeiltes Kunstwerk ist, mit endlosen Soli, extra komplizierten Riffs oder sonst was, aber all das braucht sie gar nicht, um zu fesseln. Die langen Songs, die alle den Teil einer Geschichte erzählen (da komme ich nachher noch dazu), beinhalten sich immer wieder abwechselnde, wiederholende Parts, die sich ins Gehirn einbrennen und den Hörer am Ball bleiben lassen. Untermalt man dieses Grundkonzept jetzt noch mit einer absolut grandiosen Mischung aus Keyboards, verschiedenen Volksintrumenten und wie bei "Kylän Päässä" auch einigen cineastischen Soundeffekten, dann avanciert dies alles zu einem Soundtrack, der genauso gut in ein Spiel der "The Elder Scrolls"- Reihe passen würde (und wer mich kennt, weiß, dass das eins der größten Komplimente ist, die man sich von mir erwarten könnte!).

Gut, das Instrumental auf "Voimasta ja Kunniasta" ist ja also mal "ganz nett", aber können bei so viel Bombast und Epik die Vocals mithalten, oder sinken sie eher in den Hintergrund und lassen der Macht der Instrumente freien Lauf? Nein, das tun sie nicht! Auch, wenn man als Hörer vorerst einmal mit der erdrückenden Instrumentalgewalt zur Genüge beschäftigt sein dürfte. So offenbaren sich meist spätestens beim zweiten oder dritten Durchlauf die anderen Qualitäten des Albums, das ja eigentlich eine ganze Erzählung beinhaltet.
Ohne jetzt zu tief auf die Story des Ganzen eingehen zu wollen, sei zur Geschichte nur Folgendes gesagt: "Einst gab es ein kleines Dorf im Norden (das aus dem Bild von vorher vielleicht?), in diesem Dorf werden zwei Brüder geboren. Gewickelt in Bärenfell, jung und schuldlos, sind sie die Erben des Kriegsgottes, sie verbringen die Jugend zusammen und immer, wenn sie zusammen trainieren, soll man Donner in der Ferne hören. Schnell wachsen die Jungen zu stattlichen Kriegern heran und führen ihr Volk zu Ruhm und Reichtum. Doch das erst so glückliche Leben der Brüder in ihrem geliebten Dorf sollte nicht ewig währen, denn Neid und Ränke umfangen den Einen und das Schicksal nimmt seinen Lauf...".

Mehr soll aber nicht verraten werden, dafür müsst ihr euch das Werk schon selbst anhören! Besser gesagt sollte man danach auch eine Übersetzung zurate ziehen, zumal die Geschichte der Brüder, wie könnte es anders sein, auf finnisch erzählt wird, außerdem haben sich auch Zeilen aus der alten nordischen Edda auf das Album verirrt. Diese für ein Musikalbum doch recht durchdachte Geschichte wird mit einem durchaus gut funktionierenden Mix aus den typischen, hohen Screams und einer Kombination von Kriegsgebrüll und den "drunken viking choirs", die wir alle so lieben, erzählt, und das funktioniert weitestgehend mehr als nur gut. Dadurch, dass trotz der recht langen Texte die Gesangspassagen auf dem Album überraschend kurz gehalten sind und auch in sich einiges an Variation bieten, wird es auch auf der Gesangsebene nicht so schnell langweilig. Besonders zu loben ist hier auch, dass sich mit der Änderung des Gesangs auch die Persektive ändert, aus der die Geschichte erzählt wird. Wirklich klasse mitgedacht, hier hat man eindeutig Hand angelegt!

Ich weiß gar nicht, was ich sonst noch über dieses Album sagen könnte, ich verliere mich doch nur wieder in endlosen Lobeshymnen über diese Band und darüber, wie gut dieses gesamte Werk konzipiert ist, wie fantastisch das alles auch tatsächlich in die Tat umgesetzt wurde und so weiter und so fort. Belassen wir es also bei einigen kurzen Worten: "Voimasta ja Kunniasta" ist ein Musterbeispiel dafür, wie ein Folk Metal-Album aussehen kann, wenn man wirkliches Herzblut und Leidenschaft in die Musik steckt. Vielleicht wird es nicht jeden in der Form mitreißen, wie es das mit mir getan hat, doch hat dieses Album und allgemein die Musik der Band genug Leute berührt, um den Namen MOONSORROW groß zu machen, auch wenn der tatsächliche Höhenflug der Band erst später wirklich Fahrt aufnahm. Der Status, den die Musiker bis heute innehaben, kommt sicher nicht von ungefähr und es bleibt nur noch zu hoffen, dass auch alle zukünftigen Werke die Leute so mitreißen werden, wie das "Voimasta ja Kunniasta" mit mir getan hat.
 


WERBUNG: Hard
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