MUSIK OHNE MENSCHEN - Neuronale Netze komponieren den Soundtrack der Zukunft

Veröffentlicht am 12.02.2018

Cyber-Komponisten - dein Freund und Helfer

Bevor wir uns in Horrorszenarien über das Ende menschlicher Musik ergehen, ist es doch viel interessanter darüber nachzudenken, welchen Nutzen wir aus diesen Entwicklungen ziehen können. Kompositionsprogramme sind nicht (nur) aus dem Cyberspace herabgestiegen, um Songwriting oder die Jamsession mit deinen Freunden zu eliminieren. Sie wurden - sicherlich mit kommerziellem Interesse am Horizont - entwickelt, um Musik für ganz bestimmte Anwendungsbereiche zu produzieren. Ein denkbarer Einsatzort ist Youtube. Anstelle der immer gleichen, lizenzfreien Fahrstuhlmusik, könnte zukünftig jeder seinen Content mit individueller und thematisch passender Hintergrunddudelei untermalen. Für Übungszwecke im heimischen Kämmerlein könnten Solomusiker sich passend begleiten lassen. Genauso gut denkbar ist der Einsatz musikgenerierender Software in Games. Wenn die dynamische Anpassbarkeit flexibel genug ist, kann individualisierte Musik noch besser auf das momentane Spielgeschehen reagieren um die vielbeschworene Immersion des Gamers zu perfektionieren. Doch noch gibt es einige Hürden zu überwinden.

Herausforderungen: Originalität und dynamische Anpassungsfähigkeit

Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für musikgenerierende Software ist die Originalität des entstehenden Materials - die Melodien dürfen auch bei Kompositionen „im Stil von“ weder bereits existierenden Songs gleichen, noch sollten sich die nacheinander generierten Outputs einer Software zu sehr ähneln. Erstes würde recht schnell zu Urheberrechtsproblemen führen und zweites zu eingeschränktem Nutzen und mangelnder Akzeptanz bei den Usern. Dieses Problem ist momentan technisch noch nicht vollständig gelöst und wird an Bedeutung gewinnen, falls solche Programme bald massenhaft zur Musikproduktion eingesetzt werden.

Eine weitere Einschränkung vieler gegenwärtiger Deep-Learning-Architekturen ist, dass sie bisher - während der Erzeugung von Musikinhalten - paradoxerweise weder lernen noch flexibel auf Feedback reagieren können. Wie der französische Experte Jean-Pierre Briot in seinem Buch „Deep Learning Techniques for Music Generation“ betont, könnte dieses Problem gelöst werden, indem das Programm auf ein Feedback des Benutzers reagiert: Ihn beispielsweise direkt danach fragt oder indem es sich "merkt", wann jemand ein Musikstück abbricht, oder so gut findet, dass er es sich als Datei ausgeben lässt.

Musikgenerierende Software

Hier findet Ihr eine exemplarische Liste interessanter Software für verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Viele Projekte, die man ergoogeln kann, befinden sich noch im Entwicklungsstadium, für Anderes benötigt man entweder viel Geld oder einen Doktortitel in Maschinenlernen. Eine Entdeckungstour zu den nachfolgenden Produkten lohnt sich aber auch jetzt schon, für einen ersten Eindruck was bereits möglich ist und eine Ahnung, was da noch kommen wird:

Amper Music
Eine auf künstlicher Intelligenz basierende Software, mit der man sich lizenzfreie Musikstücke nach eigenen Vorgaben (Geschwindigkeit, Länge, Stimmung, Instrumentierung) komponieren und direkt als Song ausgeben lassen kann. Dabei werden keine Loops oder vorkomponierte Parts verwendet - die Komposition entsteht laut Amper Music Ton für Ton aus von Musikern eingespielten Samples. Befindet sich aktuell (02/18) noch in der Betaphase. Obwohl der beworbene Anwendungsbereich sich auf die Vertonung von Online-Content bezieht, hat die amerikanische Sängerin TARYN SOUTHERN bereits ein, von Youtube finanziertes, Album mit Amper Music realisiert. In einem Interview mit Forbes resümiert Sie dennoch: "But there is a magic to making music with other people. I’m not done with that.".

Melodrive
Melodrive ist ähnlich wie Amper ein KI-Composer, der es ermöglicht, fertige Musik für digitale Inhalte ohne musikalisches Vorwissen per Knopfdruck zu erstellen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Generierung non-linearer Musik, die sich beispielsweise in Videos, Games oder Virtual-Reality-Anwendungen dynamisch an den Input des Benutzers und die jeweilige emotionale Stimmung anpasst.

Ludwig
Ludwig ist eine Windows-Software, die sich als eine Art Kompositions-Assistent versteht. Die Melodie gibt man selbst ein, und das Programm generiert dazu automatisch passende Arrangements für verschiedenen Instrumente - diese bestehen dabei nicht aus vorgegebenen Patterns sondern werden Note für Note an den Input des Users angepasst. Man kann Ludwig auch zum Üben nutzen indem man sich einfache Arrangements bekannter Songs erstellen und/oder sich beim Spielen begleiten lässt. Als weitere Funktion kann man auch ohne jeglichen Input lizenzfreie Songs verschiedener Stile generieren lassen. Es gibt eine Free-Version.

Flow Composer
Die Sony-Tochter Flow Machines hat mehrere KI-Musikprogramme entwickelt. Der bereits im Artikel genannte Song "Daddy's Car" wurde mit dem Flow Composer realisiert. Bei diesem kann man sich zwischen automatischer und interaktiver Komposition entscheiden. Die letztere lässt einem die Freiheit, alle möglichen Parameter wie Stile und Geschwindigkeiten selbst zu variieren. Das Ergebnis wird als Midi-File und Notenblatt ausgegeben, für die Instrumentierung sorgt man anschließend selbst.

Reflexive Looper
Der Reflexive Looper ist ein intelligentes Begleitprogramm von dem Flow Machines behauptet, es verstehe Musik wie ein Mensch. Es kann in Echtzeit auf Musik reagieren, die fehlenden Instrumente ergänzen und dabei sogar neues Material im Stil des Musikers erzeugen. Ganz so spektakulär ist es bei genauerem Lesen dann doch nicht: Zuvor muss man das Programm mit den Noten füttern und verschiedene Parts des Songs selbst einspielen. Daraus werden dann passend zum Spiel dynamisch die Begleitharmonien generiert - etwas unspontan, aber die Musiker im Video scheinen trotzdem "Happy" zu sein.


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: KI-Musik-Software und ihre Anwendungsgebiete


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