DIO - The Later Years (1996-2004)

Veröffentlicht am 20.03.2020

Ronnie James Dio ist nun auch bereits wieder zehn Jahre nicht mehr unter uns. Für mich ein besonderer Künstler, denn mein allererstes Konzert war 1986 ein DIO-Konzert mit KEEL im Vorprogramm. So etwas bleibt natürlich unvergessen: Ich erinnere mich noch, wie mir angesichts der atemberaubenden Bühnenshow (es war damals die Sacred-Heart-Tour mit allerlei Extras wie Feuer und beweglichen Drachen etc.) der Mund nicht mehr zuklappen wollte.

Die Karriere von Ronnie ist ja bekanntlich legendär. Die Anfänge bei ELF, RAINBOW, das Intermezzo bei BLACK SABBATH und nicht zuletzt seine lange Zeit mit der nach ihm betitelten DIO-Band. Redet man von der Band DIO so werden natürlich zu allererst die Alben "Holy Diver", "The Last In Line" und "Sacred Heart" genannt. Danach machten sich neben dem veränderten musikalischen Klima auch leichte Abnutzungserscheinungen breit. "Dream Evil" war anno 1987 schon nicht mehr in der gleichen Liga und das 1990er Album "Lock Up The Wolves" war dann  bis auf ein paar taugliche Songs eher enttäuschend. 

Im weiteren Verlauf setzte Ronnie dann auf eher modernere und tiefergestimmte Sounds. Das Album "Strange Highways" habe ich bis heute noch nicht ganz gehört und auch "Angry Machines" gehörte bislang nicht zu meiner Sammlung.

Aus dieser eher verschmähten letzten DIO-Periode erscheinen nunmehr die vier Alben "Angry Machines" (1996), "Magica"(2000), "Killing The Dragon" (2002) sowie das letzte DIO-Studioalbum "Master Of The Moon" (2004) als hochwertige Re-Releases. Die Scheiben wurden offenbar alle remastered und wurden jeweils mit einer Bonus-CD versehen, auf der es Rares und Live-Aufnahmen zu hören gibt. Anlaß genug also, diese  DIO-Phase nochmals neu zu beleuchten:

 

1) ANGRY MACHINES (1996)

Disc 1 & LP Tracklisting:
Institutional Man
Don’t Tell The Kids
Black
Hunter Of The Heart
Stay Out Of My Mind
Big Sister
Double Monday
Golden Rules
Dying In America
This Is Your Life

Disc 2 – BONUS / LIVE Angry Machines Tour 1997:
Jesus Mary and The Holy Ghost – Straight Through The Heart
Don’t Talk To Strangers
Double Monday
Hunter Of The Heart
Holy Diver
Heaven and Hell
Long Live Rock and Roll
Man On The Silver Mountain
Rainbow In The Dark
The Last In Line
The Mob Rules
We Rock

"Angry Machines" stellt getreu dem Titel eine recht düstere Scheibe dar. Es gab keine Fantasy-Stories mehr und die meisten der Songs waren auf "ja nicht eingängig" bzw. "düster" getrimmt. In der Band waren neben DIO-Urgestein Vinny Appice am Schlagwerk,  Jeff Pilson am Bass, Tracy G. an der Klampfe sowie Scott Warren an den Tasten. Wenn man die Bonus-CD, welche fast ausschließlich alte Stücke bietet, mit dem damals neuen Studio-Output von "Angry Machines" vergleicht, muss man sich schon in der Tat wundern. Einzig die grandiose Stimme von Ronnie James Dio erinnert daran, dass es sich um ein- und dieselbe Band handelt.

"Institutional Man" könnte ein Überbleibsel des 1992er BLACK SABBATH-Comebacks "Dehumanizer" sein. Das Riff ist betonschwer und wälzt sich durch den kompletten Song. Auf einen Refrain (noch dazu mit Wiedererkennungswert) wartet man leider vergeblich. Das pfeilschnelle "Don't Tell The Kids" ist der einzige Song, der etwas an vergangene Highlights im Stil von "Stand Up And Shout " erinnert, ohne jedoch in der gleichen Liga mitzuspielen. Vielfach ploddert die Scheibe langsam und höhepunktsarm vor sich hin. Manche Tracks wie "Black" scheinen sich geradezu an die Moderne anzubiedern und erinnern zeitweise an ALICE IN CHAINS. Aus heutiger Sicht haben manche Songs zwar durchaus ihren Charme, man kann sich aber vorstellen, dass sich DIO-Traditionalisten von "DIO-goes-Grunge" damals durchaus vor den Kopf gestoßen fühlten. Und einige Songs hinterlassen beim Hörer auch nur noch Fragezeichen, wie z.B. der Industrial-Mittelteil von "Stay Out Of My Mind". Leicht schräg. Einzig Ronnies Stimme ist nach wie vor erste Sahne, ob diese zu den neomodernen Tracks passt steht jedoch auf einem anderen Blatt Papier.

Gegen Ende des  Albums lässt "This Is Your Life", in welchem Ronnie nur mit Piano-Begleitung zu hören ist, nochmals aufhorchen. Ein später Lichtblick des Albums. 

"Angry Machines" war verkaufstechnisch ein ziemlicher Flop. Nach der zugehörigen Tour wurden Tracy G. und auch Vinny Appice aus der Band verbannt bzw. gingen von selbst. Mit Craig Goldy an der Gitarre, Rückkehrer Jimmy Bain am Bass und Simon Wright am Schlagzeug sollte es wieder zurück zu traditionelleren Tönen gehen.

Die umfangreichen Live-Bonus-Tracks der Bonus-Scheibe wirken da schon beinahe wie eine Offenbarung. Der Hörer bekommt ein schickes "Greatest Hits Live"-Paket geschnürt, welches Songs der DIO-Klassikeralben, RAINBOW als auch SABBATH-Songs bietet. Die Band ist in guter Spiellaune und der Sound stimmt auch. Eine mehr als würdige Bonus-CD.

 

2) MAGICA (2000)

Disc 1 & LP 1 Tracklisting :
Discovery
Magica Theme
Lord Of The Last Day
Fever Dreams
Turn To Stone
Feed My Head
Eriel
Chalis
As Long As It’s Not About Love
Losing My Insanity
Otherworld
Magica (Reprise)
Lord Of The Last Day (Reprise)

Disc 2 – BONUS / Live Magica Tour 2001:
Discovery
Magica
Lord Of The Last Day
Fever Dreams
Eriel
Chalis
Losing My Insanity
Otherworld
Electra – Studio Track
Magica Story – Studio/Spoken Word

 

"Magica" sollte nach dem Debakel des Vorgängers  die alten Fans wieder zurückgewinnen. Das Albums stellt eine Konzeptscheibe dar, in der es einmal mehr um den Kampf von Gut gegen Böse geht. Nach zwei Intros geht es aber mit "Lord Of The Last Day" erst einmal so weiter wie "Angry Machines" geendet hatte: Ein schwerer Stampfer, zwar etwas melodischer als auf dem Vorgänger aber ansonsten eher die gleiche Richtung. Mit "Fever Dreams" wird es dann  etwas Geschmeidiger, leicht zurück zum alten DIO-Stil, wenngleich die großen Melodien auf dem gesamten Album eher Mangelware sind. Songs wie "Feed My Head" oder "Turn To Stone" sind zwar ganz nett aber auch recht uninspiriert. Im weiteren Verlauf verliert sich die Scheibe dann wieder in recht schlaffen Midtempo-Songs, die zum Teil unendlich in die Länge gezogen werden ("Eriel") oder auf früheren DIO-Werken unter "Füllmaterial" gelaufen wären ("Challis", "Losing My Insanity"). Einzig das epische "As Long As It's Not About Love" knüpft an alte Heldentaten an. Nach dem erneut langsam vor sich hinploddernden "Otherworld" ist auch schon fast wieder Schluss, denn die anschließenden Tracks sind mehr oder weniger nur Outros.

Alles in Allem ist "Magica" für mich nur marginal besser als der Vorgänger, auch wenn einige gute Ansätze dabei waren.

Bonustechnisch gibt es von der "Magica"-Tour acht Songs des Albums als Liveinterpretationen. Dazu kommt der letzte Studiotrack von DIO überhaupt namens "Electra", welcher für "Magica II" eingeplant war als auch den über 18minütigen Spoken Word Track "Magica Story", in dem Ronnie die Hintergrundstory des Albums erzählt. Die beiden letztgenannten Stücke waren jedoch bereits von Vorgängerversionen des Albums bekannt.

 

3) KILLING THE DRAGON (2002)

Disc 1 & LP Tracklisting:
Killing The Dragon
Along Comes A Spider
Scream
Better In The Dark
Rock And Roll
Push
Guilty
Throw Away Children
Before The Fall
Cold Feet

Disc 2 – BONUS / LIVE Killing The Dragon Tour 2002/2003:
Holy Diver
Heaven And Hell
Rock And Roll
I Speed At Night
Killing The Dragon
Stand Up And Shout

 

Nachdem "Magica" beim DIO-Fanzirkel doch etwas besser ankam, sollte es mit "Killing The Dragon" noch ein weiteres Stück "back to the roots" gehen. Nach Streitigkeiten mit Craig Goldy verließ dieser die Band und wurde durch Doug Aldrich ersetzt. Am Songwriting konnte sich dieser jedoch nicht mehr großartig beteiligen, da er erst sehr spät zu den Aufnahmen dazustiess. "Killing The Dragon" wurde somit weitgehend von Ronnie und Jimmy Bain geschrieben. 

Der Titelsong gibt bereits die Marschrichtung vor und ist besser als alles, was auf den Vorgängeralben zu hören war. Doug Aldrich ist eine brillante Ergänzung der Band und lässt etliche starke Soli vom Stapel. Endlich gibt es wieder mehr Uptemposongs ("Along Came A Spider"/"Better In The Dark"), die ganz in der Tradition alter Übernummern stehen und auch nicht großartig dagegen abfallen. Die Midtempo-Songs haben auch wieder etwas mehr Tiefe ("Guilty"/"Scream"), auch wenn sich ab und an auch ein paar lauere Nummern eingeschlichen haben ("Rock & Roll"/"Cold Feet").

"Killing The Dragon" ist von den hier vorgestellten vier Alben sicherlich das beste Spätwerk in der DIO-Discographie. Der Scheibe wurde für den Re-Release sogar ein neues Cover spendiert, welches auch das altbekannte Maskottchen "Murray" zeigt. Ob es dem Originalcover von 2002 überlegen ist, ist Geschmackssache.

Die Bonus-CD ist im Gegensatz zu den beiden zuvor besprochenen Alben leider nicht so üppig ausgefallen. Es gibt ganze sechs Livesongs der damaligen Tour, mit dem Titelstück "Killing The Dragon" und "Rock & Roll"  gerade einmal zwei damals aktuelle Tracks. Schade. Da wäre mehr drin gewesen.

 

4) MASTER OF THE MOON (2004)

Disc 1 & LP Tracklisting:
One More For The Road
Master Of The Moon
The End Of The World
Shivers
The Man Who Would Be King
The Eyes
Living The Lie
I Am
Death By Love
In Dreams

Disc 2 – Bonus / Live Master Of The Moon Tour 2004/2005:
Heaven And Hell
Rainbow In The Dark
Rock And Roll Children
The Eyes
Prisoner Of Paradise – Studio Track

 

"Master Of The Moon" stellt die finale Studioscheibe von DIO dar. Zurück waren Jeff Pilson am Bass (der jedoch auf der folgenden Tour wegen seiner FOREIGNER-Verpflichtungen durch Rudy Sarzo ersetzt wurde) und mal wieder Craig Goldy an der Klampfe. Das Album setzt die auf dem Vorgänger eingeschlagene Richtung fort und stellt ein traditionelles DIO-Hardrock-Album dar mit ein paar Höhepunkten wie dem Opener "One More For The Road" und dem epischen Titelsong. Leider krankt das Album dann aber wieder an einem Überfluß eher langweiligerer Midtempo-Stücke, die hauptsächlich wegen Ronnies Stimme erwähnenswert sind aber zum Großteil an einem vorbeirauschen. Ein bis zwei weitere flotte Rocker hätten da sicherlich Wunder gewirkt.

Das gute Niveau von "Killing The Dragon" wird also leider nicht erreicht, so dass das letzte DIO-Album eher als  leichte Enttäuschung zurückbleiben wird.

Der Bonus-Part von "Master Of The Moon" ist auch mehr als übersichtlich: Es gibt fünf Livetracks der damaligen Tour und den japanischen Bonustrack "Prisoner Of Paradise", der auch bereits von der "The Very Beast Of Dio Vol.2" Compilation bekannt war. Alles in allem also nicht gerade ein Totschlags-Kaufargument.

 

Zusammenfassung:

Auch wenn "Holy Diver", "The Last In Line" und - mit Abstrichen - "Sacred Heart" das heilige Triumvirat der DIO-Alben darstellt, bieten auch die Spätwerke einige Highlights ohne jedoch als Klassikeralben zu gelten. Am umstrittensten sicherlich das "Angry Machines"-Album, bei dem sich zu arg dem Zeitgeist angebiedert wurde. Mit "Magica" besann man sich wieder auf traditionellere Tugenden und es stellte sich wieder größerer Zuspruch ein. Mit der Aufnahme des BLACK SABBATH-Ablegers HEAVEN AND HELL war dann relativ früh Schluss im DIO-Camp. Sein jäher Tod im Jahr 2010 machte weiteren DIO-Alben leider einen Strich durch die Rechnung. "Killing The Dragon" ist mit Abstand das beste Werk der vier Re-Releases und verdient die besondere Aufmerksamkeit. 

Wenn die Alben auch so gut optisch aufgemacht wurden wie die Re-Releases der ersten DIO-Scheiben so lohnt sich ein Kauf allemal. Mir liegen derzeit leider nur die schnöden Downloads vor.

Soundtechnisch ist alles im grünen Bereich, die Bonus-Livetracks von "Magica" und "Angry Machines" sind durchaus üppig und zusätzlicher Kaufanreiz, was man bei "Killing The Dragon" und "Master Of The Moon" leider nicht behaupten kann. Da wäre noch bei weitem Luft nach oben gewesen. Zumal die Doppel-CDs nicht zum Special-Price vertickert werden. Der Die-Hard-Fan und Komplettist wird sicher sowieso blind zugreifen.

 


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