Flusensieb #31 – 10 kurze Platten-Reviews

Veröffentlicht am 07.04.2020

Ein Flusensieb tut, was ein Flusensieb tun muss. Im Hause Stormbringer bedeutet das, Musik auffangen, die sonst in die ewigen Weiten der hiesigen Nicht-Beachtung gestreut worden wäre. Diesmal wird eingeladen zu großen dunklen Wellen auf groben schwarzen Stein, zu gemütlichen Quarantäne-Grind-Quatsch, zu italienischer „Scheiß-doch-drauf“-Attitüde und zu einem Kampfanzug im Schaufenster eines Musikladens. Weiter geht es mit einer getüftelten Soundwand, echter Klangkunst im Slam-Rotz und einer verbalen Breitseite gegen das Establishment. Außerdem legen wir noch eine Abwechslung von durchdringender Urgewalt und wabernder Schwere, Singer-Songwriter-Stuff mit klassischen Elementen und Noise-lastiges Nicht-so-ganz-Feel-good-Zeug drauf. Viel Spaß!

 


 

SUN OF THE DYING – The Earth Is Silent

Wir verbinden Spanien mit sonnigen Stränden und Badespaß, aber im Inneren des Landes zeichnen SUN OF THE DYING ein ganz anderes Bild vom Meer. Die Band aus Madrid bringt auf ihrem zweiten Album „The Earth Is Silent“ einen grollenden, mächtigen Doom in Verbindung mit eisig-schweren Elementen des Death Metal. Musikalisch wird genau der Punkt gefunden, an dem eine große hoffnungslose Leere alles erfüllt, man sich ihr jedoch nicht entziehen möchte. Der Klargesang ist schlichtweg beeindruckend schön und das Growling makellos. SUN OF THE DYING vermögen zugleich Kälte zu transportieren und doch zu bewegen. Eine Dreiviertelstunde branden große dunkle Wellen auf groben schwarzen Stein – ein Genuss! (jazz)

 


 

ANAL CUNTRONA – I: Anal Cuntrona

„Anal Cuntrona“ von ANAL CUNTRONA ist ganz, ganz großer Krach … große Kunst! Ich würde gerne behaupten, dass es daran liegt, dass ich an diesem Album mitwirken durfte (Lyrics zu „If You're Contagious And You Know It Wash Your Hands“), aber faktisch liegt es daran, dass Ausnahmetalent Déhà (SLOW, DÉHÀ, YHDARL uvm.) einen gemütlichen Quarantäne-Freitag dazu nutzte, 20 kurze Songs voller Gewalt, Brutalität, Wahnsinn und reichlich Spaß aufzunehmen. Zahlreiche Freunde und Fans nahmen an dem Projekt Teil, um 9:18 Minuten humorlastigen Grindcore zusammenzuzimmern. Mit der Qualität von Déhàs sonstiger Kunst kann dieser Unfug kaum mithalten, aber er macht Freude und es ist für einen guten Zweck. (jazz)

 


 

BS BONE – Inside Insanity

Mit „Inside Insanity“ geben die Herren von BS BONE einen Einblick in ihr aktuelles (selbst produziertes) Demo, welches 2019 erschienen ist. „I Don't Give A Fuck“ zeigt mal gleich wo es langgeht: Mittelfinger hoch und punkmäßig abgehen. Eigentlich kommen BS BONE ja aus dem Stoner-Bereich, aber das sehen wir jetzt mal nicht so eng. Hauptsache es rockt und kracht im Nackenbereich. BS BONE orientieren sich an SKID ROW und auch so ein kleiner Touch Rock'n'Roll-Feeling schimmert durch die „Scheiß-doch-drauf“-Attitüde der Italiener. „Dysfunctional Souls“ klingt nach einem gut behüteten Elternhaus. (SV)

 


 

KILTER – Axiom

Die us-amerikanischen KILTER werfen Metal und Jazz in einen Topf. Der Metal orientiert sich an Progressive Groove bis Death Metal, der Jazz weitgehend an Free Jazz. Das ergibt eine eher experimentelle bis strukturarme Kombination, durch die das erste Album „Axiom“ zwar interessant wird, aber außerordentlich wenig eingängig ist. Die glücklicherweise seltenen Vocals hätte man sich gern sparen können, scheinen sie doch im Kontrast zu der sonst sehr professionell erscheinenden Musik eher schwach. KILTER sind, als würde man sich im Kampfanzug durchs Schaufenster eines Musikladens werfen. Das tut vielleicht ein bisschen weh, aber es ergibt definitiv neue Perspektiven. Nichts für Kirmes-Metaller! (jazz)

 


 

DEAD END FINLAND – Inter Vivos

Du stehst auf Melo Death, kannst auch mal in den Vordergrund rückende elektronische Elemente vertragen und hast trotzdem noch nie von DEAD END FINLAND gehört? Dann solltest du diese Wissenslücke schließen! Die vier Mannen aus – Surprise – Finnland legen mit „Inter Vivos“ eine gelungene Mischung aus melodischen Leads, Synthesizer-Einstreuungen, leichten Epik-Anleihen und facettenreichem Gesang hin. Drei Jahre Tüftelei haben gefruchtet, wenngleich die Soundwand einen stellenweise doch zu erschlagen drohen kann. Wer es nicht haben kann, dass Riffs und Gesang öfter mal von den Synthies überdeckt werden oder ins Powerballadeske abgedriftet wird, sollte sich hieran lieber nicht versuchen. (AO)

 


 

GOREVENT – Fate

Anti-Halspastillen aus Japan! Nimm zwei und du klingst wie das Wolfsknurren durch den zerlöcherten Hals eines dämonischen Durchfallzombies – oder wie GOREVENT. Da Brutal Death Metal – hier schon ordentlich slammig – ja, eine gewisse Verwandtschaft zu Grindcore aufweist, ist es auch erlaubt, 24 Minuten Gurgelgrunzgeknüppel ein Album zu nennen. Was man der Gewaltorgie allerdings zugutehalten muss, ist ihre Sauberkeit. Hier wird kein brutaler Slam-Rotz hochgezogen und ausgespien, sondern beeindruckend wohlgeformte Klangkunst serviert – mit einer gewissen Ruhe, die in dem Genreumfeld nicht häufig ist. „Fate“ ist ein Album zum romantischen Tanzen durch faulende Leichenteile. (jazz)

 


 

BRDIGUNG – Zeig dich!

„Walking Death auf Ecstasy“ – textlich kreativ waren die Kemptener ja schon immer und nicht auf den Mund gefallen. Mit ihrem neuen Album „Zeig dich!“ wird Punk fröhlich mit Rock gemischt und doch bleibt es immer noch BRDIGUNG. Nur diesmal wird mehr Herz und Gefühl gezeigt, wobei „Brich aus“ und „Kein Fick“ auch die verbale Breitseite in Richtung Establishment abfeuern. Gehören wir noch dazu oder werden wir bequem und faul? Die Frage bleibt jedem selbst zur Beantwortung. Kaum eine Band lässt den Hörer mit mehr Fragen als Antworten zurück und gibt einem Zeit, eine Selbstreflexion vorzunehmen. Vielen Dank dafür. (SV)

 


 

CULT OF ERINYES – Æstivation

„Gott hat keinen Plan! Es gibt überhaupt gar keinen Plan! Da draußen ist nur Chaos! Schmerz und Chaos!“ Kaum etwas könnte „Æstivation“, das vierte Album von CULT OF ERINYES, besser zusammenfassen als diese deutschen Worte, auf dem Album der zwei Belgier Corvus und Déhà. Letzterer leiht dem oft brutalen, anstrengenden und gewaltig niederwalzenden Black Metal im Gegensatz zu vielen seiner anderen Projekte nur seine Stimme. Eine gekonnte Abwechslung von durchdringender Urgewalt und wabernder Schwere überfällt den Hörer und bemächtigt sich seiner. Trotz der sehr geschickten Brüche bleibt das Album wahrscheinlich nicht über Jahre hinweg spannend, aber im Jetzt lohnt sich das Hinhören! (jazz)

 


 

SYLVAINE + UNREQVITED – Time Without End

Abtauchen in wunderschöne Klangwelten kann man mit der neuen Split-EP von SYLVAINE und UNREQVITED. Die Singer-Songwriterin und das kanadische Ein-Mann-Projekt haben sich auf „Time Without End“ zusammengetan, um ihre kreative Ader auszuleben. Gebündelt werden Klavier, Akustikgitarren und der zarte Gesang der Sängerin, die sich ab „Interwoven“ mit den restlichen klassischen Bandinstrumenten sowie Streichinstrumenten vereinen. Fast schon einlullend ist die EP anfangs, ehe die zweite Hälfte Fahrt aufnimmt. Diese trägt auch klar die Handschrift von UNREQVITED. Kurzweilig und zu empfehlen, wenn man es musikalisch mal etwas ruhiger angehen will. (AO)

 


 

IZTHMI – The Arrow Of Our Ways

Hat man erst einmal das Intro von „The Arrow Of Our Ways“ ohne Zertreten des Musikabspielgerätes überstanden, präsentiert sich das vielseitige, oft progressive, oft atmosphärische erste Album von IZTHMI als ein Werk, das mit eineinhalb Beinen im Black Metal steht. Das US-amerikanische Quintett lädt dazu ein, sich in der Musik zu verlieren, erinnert aber immer wieder durch anstrengend Noise-lastige Momente daran, dass aus Träumen Albträume werden können. Das bringt bei den ersten Durchläufen eine faszinierende Abwechslung mit sich, entwickelt sich dann aber auch schnell zum Grund, das Album nicht ein zehntes Mal hören zu mögen. Etwas zu nervig für feel good – und das ist gut so! (jazz)

 


 

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