Funeral-Doom-Reise: Etappe 11: Dänemark, Norwegen, Island

Text: Jazz Styx
Veröffentlicht am 25.03.2021

Intro

Funeral Doom ist vielleicht nicht gerade das lebensfroheste Subgenre der großen Metal-Spielwiese, aber … Nein, kein Aber. Funeral Doom ist der direkte klangliche Mangel an Lebensfreude. Depressiv bis nihilistisch dröhnt und rauscht er sich meist mit einer Mischung aus Death Metal und doomiger Langsamkeit in die Ohren seiner Hörer.
Diesem wunderbaren Genre soll hiermit ein schriftliches Denkmal gesetzt werden: eine Reise durch den aktuellen Funeral Doom.
Welche Band nun tatsächlich Funeral Doom spielt und welche vielleicht doch eher Death Doom, wird hier simpel nach ihrer Kategorisierung in der Encyclopaedia Metallum festgestellt. Welche Band „aktuell“ ist, wird beinahe willkürlich darauf festgelegt, dass sie aktuell als „nicht aufgelöst“ gelten und in den letzten fünf Jahren mindestens eine Studio-LP oder -EP veröffentlicht haben muss – Ausnahmen bestätigen auch diese Regeln. Wer eine Band vermisst, schreibe gern den Stormbringer an und beschwere sich freundlich – vielleicht gibt es dann Nachträge.

Dänemark

Wir sind nun also in Skandinavien angekommen, dem allseits angenommenen Epizentrum des Metals auf diesem Planeten. Vier Etappen lang werden wir durch diesen Großraum reisen. Doch auch hier gibt es noch Randregionen, bevor wir zum (vermeintlichen?) Mittelpunkt des Funeral Doom vorstoßen. Den Start macht Dänemark, wo wir drei Genrevertreter gefunden haben.

ARAKK

Wir starten in København (Kopenhagen) bei der Funeral-Doom-Band mit den meisten Musikern Dänemarks: ARAKK. Zu fünft wird hier das Begräbnisgenre mit Post-Metal vermengt. Dadurch entsteht in beeindruckender Langsamkeit eine Stimmung der Leere, die passagenweise ihrer Wucht und Schwere beraubt wurde. Leicht, aber nicht seicht tröpfeln die Klänge durch die Gehirnwindungen. Das Debütalbum trägt den passenden Titel „Under søvnen“, was übersetzt „im Schlaf“ bedeutet. Dieser Schlaf mag leicht beginnen, entwickelt sich aber zu einem Alptraum von durchdringendem Schmerz und bitterer Verzweiflung. Ganz wie es der Genrefan liebt – wunderschön!

FUNERAL CHASM

Weiter geht es mit den gerade erst entstandenen FUNERAL CHASM (dt.: Begräbniskluft), die 2020 ihre erste EP vorgestellt haben. Ihr Name ist schlicht „I“ und sie besitzt eine kalte Sanftheit, wie sie der nicht allzu nordische Norden am besten kennt: keine klirrende Kälte, kein Schneesturm, sondern schlicht gefrorener Boden am Morgen unter einer grauen Wolkendecke. Bei FUNERAL CHASM ist das Alleinstellungsmerkmal der exzellente Klargesang, der mitunter an die Todtraurigkeit in der Stimme von Nick Cave erinnern könnte. Verpackt in der unglaublich gekonnten Musik liegt hier ein Geheimtipp für alle Freunde des Funeral Doom der weniger harten Spielart vor. Lieber Morten, lieber Danny, bitte mehr davon!

NORTT

Die Band NORTT besteht schon seit über 25 Jahren aus dem Mann Nortt und sein Funeral Doom lehnt sich stark an Black Metal an. Er nennt das „Pure Depressive Black Funeral Doom Metal“. Das resultierende vierte Album „Endelight“, das 2017 nach zehnjähriger Pause erschien, ist auch stark ambientig. Das geht so weit, dass die sehr reduzierte Musik immer stoppt, bis dann ganz ruhig Wind oder ein ganz leises Instrument einsetzt. Leider kann das mitunter stören, weil man sich versichern möchte, ob das Album schon zu Ende ist. Auch sonst fehlt mir persönlich weitgehend der Zugang zu den für mein Empfinden zu wenig miteinander verwobenen Klängen von NORTT, aber hört selbst rein!

Norwegen

Entgegen der Erwartung, Norwegen könnte ein sehr Funeral-Doom-starkes Land sein, konnten wir hier nur zwei Bands des Genres finden: ein Solo-Projekt und ein atmosphärisches Trio (Anm. der  Red.: der Rest der Bands steht bis zu den Knien im Schnee im Wald und schaut böse)

GEODAEHAN

GEODAEHAN, was auf Koreanisch „gigantisch“ bedeutet, ist das Projekt von Solok, der 2015 und 2018 Demos herausbrachte, die man ruhigen Gewissens als Alben bezeichnen kann, wenn man möchte. Das neuere trägt den unwahrscheinlich kreativen Namen „Demo II, MMXVI“, doch der eine Song darauf ist etwas bezeichnender mit „Worldender“ betitelt. Der Klang der Platte ist anstrengend, schleppend, schmerzerfüllt, schmerzhaft und nur begrenzt zu irgendetwas zu gebrauchen, was ein gesunder Mensch als Genuss empfinden kann. Zumindest entwickelt sich die Platte dahin. Zu Beginn liegt ein eher durchschnittlicher, aber auch schon an den Nerven kratzender Funeral Doom vor. Kann man machen, muss man aber nicht!

OMIT

Einen weniger üblichen Pfad haben OMIT (dt.: auslassen, übergehen) gewählt, indem das Trio Cecilie Langlies lieblichen Klargesang ins Zentrum ihrer Klänge stellt. 2018 erschien das dritte Album „Medusa Truth, Part 2“. Es besitzt zwar eine gewisse Trauer und Langsamkeit, kommt aber ohne Dröhnen und Rauschen aus. Bei OMIT ist der Boden nicht karg, tiefgefroren und felsig, sondern von einer lockeren Schneedecke und Nebel bedeckt. Auch das vermittelt nicht das Gefühl sprühenden Lebens, aber doch auch keine hoffnungslose Verzweiflung oder ähnliche übliche Funeral-Doom-Gefühle. Sanfte Schönheit!

Island

Wir besteigen ein kleines Wikingerboot und setzen nach Island über. Naturgewalten, Kälte und das umgebende Meer liefern den perfekten Nährboden für Funeral Doom. Schauen wir mal, was die beiden gefundenen Bands daraus machen.

ANDVAKA

Zuerst finden wir ANDVAKA in der Hauptstadt Reykjavik. Ein Trio, das wenig über die einzelnen Musiker preisgibt, aber nicht nur durch den Bandnamen, der „Schlaflosigkeit“, aber auch so etwas wie Geisteranrufung bedeutet, seine Spiritualität betont. Selbst definieren sie sich als Post-Doom und das kann man gelten lassen. Die Klänge sind noch entrückter, fortgetragener, entfernter, was insbesondere durch den tiefen, erhabenen Klargesang bewirkt wird, der im Wechsel zu schmerzerfüllten Gutturalvocals überwiegt. Das Albumdebüt „Andvana“ erschien 2019 und transportiert eine schlichte, ruhige, auf gewisse Weise typisch isländische Ästhetik. Angenehm!

VOFA

Auch bei VOFA aus Ólafsvík bleiben die vier Bandmitglieder anonym und auch sie haben ihr Debütalbum „Vofa“ 2019 auf die Metalgemeinde losgelassen. Im Gegensatz zu ihren ruhigen Verwandten, die wir eben besucht haben, sind VOFA deutlich brutaler und haben einen zerrissen-wütenden Black-Metal-Einschlag, vor allem stimmlich. Ansonsten rauschen die drei Songs rifflastig und atmosphärisch durchs Ohr, als wäre es eine verlassene Felswüste. Auf der Schmerzen-beim-Hören-Skala weht der Klangteppich zwischen dem noch recht angenehmen Mittelfeld und den Grenzlanden zum Anstrengenden hin und her. Eher keine Musik für verwöhnte Ohren!

Dänemark, Norwegen und Island – der skandinavische Teil unserer Reise hat gerade erst begonnen. Nächste Woche wagen wir uns nach Schweden vor und tauchen in die dortige Funeral-Doom-Atmosphäre ein.

Alle Etappen unserer Funeral-Doom Reise gibt es hier.


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