Funeral-Doom-Reise: Etappe 22: Asien

Text: Jazz Styx
Veröffentlicht am 07.10.2021

Intro

Lebensfreude und Vergnügen – Funeral Doom ist nichts davon. Vielmehr fokussiert das traurige, depressive oder auch nihilistische Genre das genaue Gegenteil der Glückseligkeit. Die Langsamkeit des Dooms und die Gewalt des Death Metal vermischen sich und werden beispielsweise mit Noten von Monotonie, Orchestralem oder auch Sakralem verfeinert.
Diesem wunderbaren Genre soll hiermit ein schriftliches Denkmal gesetzt werden: eine fortgesetzte Reise durch den aktuellen Funeral Doom – nun auch über die Grenzen Europas hinaus.
Die Grenzziehung zu anderen Genres, insbesondere dem Death Doom wurde hierbei der Encyclopaedia Metallum überlassen, die als hauptsächliche Quelle für diesen Überblick herangezogen wurde. Die Aktualität wurde grob auf die vergangenen fünf Jahre festgelegt.
Sollten Bands oder Projekte übersehen worden sein, nehme ich sehr gerne entsprechende Hinweise entgegen. Allerdings kann das mitunter auch darin begründet liegen, dass manch Künstler in seiner Trveness gar nicht so gerne gefunden werden möchte.

Asien

Wir haben uns mit Russland beschäftigt, in Japan Halt gemacht und uns auch im Iran umgesehen. Verteilt über Asien gibt es aber noch einige weitere Funeral-Doom-Projekte. Zwei in Armenien, eines in Georgien, auch eines in Kasachstan und eines in Hong Kong. Machen wir uns auf den langen Weg – ganz langsam und schleppend!

EYELESS IN GAZA

Zuerst besuchen wir Franklin in Armeniens Hauptstadt Jerewan, wo er unter dem Projektnamen EYELESS IN GAZA 2020 ein einzelnes Album namens „Act I: The Protagonist“ veröffentlichte. Flächige, zwar durchaus natürlich-trostlose, aber auch unberührt-wohlige Klanglandschaften werden gezeichnet und von einer machtvoll-finsteren Stimme überschallt, als würde ein großer, verbitterter Herrscher ein raues, schönes Stückchen Welt regieren. Weit mehr als die meisten Genrekollegen stellt Franklin hier seiner wütenden Stimme einen kolossalen Ausdruck von Liebe gegenüber. Sein erstes Album ist zerrissene Schönheit; mit gespannter Vorfreude erwarte ich sein nächstes!

SADAEL

Vahe alias Sadael hat sein gleichnamiges Metalprojekt SADAEL 2004 ebenfalls in Jerewan gegründet, wanderte dann aber nach Russland aus. 2019 brachte er sein 13. Album heraus. „Weirdest Projection“ gehört zu den schnelleren und auch lärmenderen Vertretern des Genres. Musikalisch passiert meistens sehr viel gleichzeitig und die heftig-deathige Stimme zeigt viel Präsenz. Massiver Schlagzeugeinsatz, Gitarren- und Klavierspiel türmen sich auf. Der Funeral Doom von SADAEL sei daher insbesondere den Death-Metallern unter den Doomern nahegelegt.

ENNUI

ENNUI (franz.: Kummer, Ärger, Verdruss, Langeweile) wurde 2012 vom Georgier David Unsaved gegründet, dem wir schon in der 15. Etappe unserer Reise bei COMATOSE VIGIL A.K. begegnet sind. Gemeinsam mit dem ebenfalls georgischen Serj Shengelia sind vier Alben entstanden. Das neueste erschien 2018 und heißt „End Of The Circle“. Darauf schafft eher flächig-entrücktes Gitarrenspiel eine Umgebung für das nachdenklich-tiefe Growling. Hallend, düster, aber klar wie das vom Gestein gefilterte Wasser eines See in einer verschlossenen Höhle – alt, uralt und unbelastet vom Treiben der Menschen. Stellt euch das blassblaue Wabern von Lichtspiegelung auf dunklen Felsen vor, wenn ihr in ENNUI reinhört!

FLEGETHON

Den nächsten Halt auf unserer Reise machen wir in Kasachstan, wo uns Oden begegnet, der seine Projekt FLEGETHON 1999 zunächst als Duo in Russland startete, es aber schon seit langer Zeit alleine und nun in Kasachstan fortsetzt. Der Bandname stammt von Phlegeton, dem Fluss in der Unterwelt der griechischen Mythologie, der kein Wasser, sondern Flammen führt – nach einigen Quellen auch kochendes Blut. Da könnte man eine der lodernden, heftigeren Spielarten des Funeral Doom erwarten, aber zumindest auf dem mittlerweile elften Album „Omnia Semper Fines“ (2020) ist das eindeutig nicht der Fall. Minimalistische, atmosphärische, oft ambientige und intensiv langgezogene Klänge werden mit einem Gesang gepaart, der entmenschlicht aus der Ferne gurgelgrollt.

HYPONIC

Die letzte Station unserer Asien-Reise ist Hong Kong, wo sich HYPONIC aus dem Death Metal heraus zu Funeral Doom entwickelt haben. Das Gründungsmitglied Roy Chan erschafft auf dem dritten Album „前行者” (2016) gemeinsam mit Yt Wah Li eine metallene, großstädtische, industrielle, aber futuristische Stimmung, die einen idealen Soundtrack für Dark-Caberpunkt-Filme oder -Spiele abgeben könnte. Die klassische Begräbnis-Doom-Formal wird dabei durch experimentelle und psychedelische Elemente aufgebrochen und weiterentwickelt. Die Traurigkeit tritt dabei etwas zurück und macht Platz für eine ganz neue, faszinierende Welt. Wer im Doom mal etwas neues, eigenes erleben möchte, schenke HYPONIC sein Ohr!

Asien ist abgegrast. Die letzte Funeral-Doom-Band wurde gefunden und gehört. Wie geht die Reise weiter? Wo finden wir mehr bitter-traurige Langsamkeit? Oder findet die Reise hier ein Ende?

Alle Etappen unserer Funeral-Doom-Reise gibt es hier.


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