Funeral-Doom-Reise: Etappe 23: Australien I

Text: Jazz Styx
Veröffentlicht am 14.10.2021

Intro

Lebensfreude und Vergnügen – Funeral Doom ist nichts davon. Vielmehr fokussiert das traurige, depressive oder auch nihilistische Genre das genaue Gegenteil der Glückseligkeit. Die Langsamkeit des Dooms und die Gewalt des Death Metal vermischen sich und werden beispielsweise mit Noten von Monotonie, Orchestralem oder auch Sakralem verfeinert.
Diesem wunderbaren Genre soll hiermit ein schriftliches Denkmal gesetzt werden: eine fortgesetzte Reise durch den aktuellen Funeral Doom – nun auch über die Grenzen Europas hinaus.
Die Grenzziehung zu anderen Genres, insbesondere dem Death Doom wurde hierbei der Encyclopaedia Metallum überlassen, die als hauptsächliche Quelle für diesen Überblick herangezogen wurde. Die Aktualität wurde grob auf die vergangenen fünf Jahre festgelegt.
Sollten Bands oder Projekte übersehen worden sein, nehme ich sehr gerne entsprechende Hinweise entgegen. Allerdings kann das mitunter auch darin begründet liegen, dass manch Künstler in seiner Trveness gar nicht so gerne gefunden werden möchte.

Australien

Was hört ein vom Dasein enttäuschtes Känguru? Genau! Und damit auch jedes Känguru unter den Stormbringer-Lesern weiß, was es aktuelles so auf dem australischen Funeral-Doom-Markt gibt starten wir diese Woche unten drunter durch. Verstehst du? Unten drunter! Wie Down Under! OK, kommen wir besser zur Musik!

APATHETIC

Beginnen wir den australischen Abschnitt unserer Reise beim i-Tüpfelchen des umgedrehten Kontinents: Tasmanien. Dort hat James Hooper 2020 das zweite Album seines Projekts APATHETIC auf die Öffentlichkeit losgelassen. „Infurnose“ ist sehr langsam, sehr reduziert und irgendwie nicht sehr angenehm. Zwar beweist der Australier, dass er ein präzises Gespür für die emotionalen Stärken des Funeral Doom hat, aber entweder fehlt es dem Album an Wertigkeit oder die Trveness ist wirklich stark in ihm. Knisternd, knarzend und klimpernd auf hohem Trommelfellbelästigungslevel – dabei immer ein bisschen daneben, ein bisschen so, dass man sich fragt, ob er es nicht besser kann oder ob er genau dadurch so viel widerliche Tiefe in seinen Lärm bringt. Ich mag das nicht hören – und tue es doch wieder und wieder!

CHARTING THE DEPTHS OF DESPAIR

In Sydney macht Dan Garcia Musik. Unter dem sehr gelungenen Projektnamen CHARTING THE DEPTHS OF DESPAIR (dt.: Die Tiefen der Verzweiflung kartografieren) macht er etwas, was ganz grob in die Schublade Funeral Doom passt. Allerdings klingt die aktuelle EP „Deeper into the Darkness“ streckenweise auch so Becken- und Knarzgitarren-betont, dass es die seltenen Growls dann auch braucht, um wieder wirklich ins Genre zu finden. Wem der rohere, nugehobeltere Olschool-Klang zusagt, sei dieser minimalistische Lärm nahegelegt. Ich reise weiter.

 

CLOYING

Wo genau der Musiker Berk sich in Down Under herumtreibt, kann ich nicht sagen, aber seine EP „Ply“, die er 2018 unter dem Projektnamen CLOYING (dt.: an Reiz verlierend) herausgebracht hat, besitzt eine ausgesprochen gelungene Track-Titulierung: „Plying“, „Prying“, „Preying“, „Praying“. Vor einem Hintergrund aus tiefgründiger Trauer und bitterem Schmerz zeichnen Bass und Gitarre eine wabernde, fast psychedelische Welt der Zwischentöne, die trotz ihrer ablenkenden Charakteristik fast noch tiefer in die Schmerzen hineinführen – weniger wie ein hoffnungsloser Horrorfilm, mehr wie ein packender Thriller. Lieber Berk, bitte gib uns mehr von deiner progressiven Begräbnismusik!

DAYBREAK

Morgengrauenhaft geht es in Perth zu, wo Heath und Warren als DAYBREAK 2017 nichts als die eine LP „Philosophia I“ herausgebracht haben. Die Vocals klingen mitunter, als würde es ziehen; es scheinen Löcher in den Stimmbändern zu sein. Gesund kann das nicht sein! Der konsequent effektarme, aber affektvolle Funeral Doom mit einem leicht erhöhten Heavy-Metal-Anteil im Gitarrenspiel und seinen akustischen Parts überzeugt durch schmerzerfüllte Klangfülle und hoffnungslose Ruhe. Wer so rund abliefert, darf auch nach einem Album die Arbeit einstellen – aber mehr davon wäre auch gern gehört!

ELYSIAN BLAZE

Um ELYSIAN BLAZE (dt.: himmlische Flamme) ist es seit 2012 weitgehend still. Durch die 2018er Single „The Virtue of Suffering“ (dt.: Der Wert des Leidens) schafft es der Solokünstler Mutatiis alias Marc Fumberger doch, uns zu einem Halt in Adelaide zu bewegen. Warum? Weil man den fast 19 Minuten langen Song auch ohne Probleme EP hätte nennen können. Zudem ist das Stück ein äußerst wohlkomponiertes Gebilde aus sakral-entrücktem Black Metal und chaotisch-verzweifeltem Funeral Doom. Fast schon überladen und doch unfassbar gut verwebt ist die Single in ihrer relativen Kürze mehr hörenswerter Funeral Doom als manch um ein Vielfaches längere Werk. Starke Kunst!

Auf diese beeindruckenden Beitrag beenden wir die dieswöchige Etappe der Funeral-Doom-Reise, können uns aber auf einige weitere australische Vertreter des Beerdigungs-Genres freuen, die wir kommende Woche besuchen werden. Denn Australien hat mehr depressiven Nihilismus zu bieten, als in einem Beitrag zu ertragen wäre.

Alle Etappen unserer Funeral-Doom-Reise gibt es hier.


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