RAVENOUS: gefräßiger denn je.

Veröffentlicht am 30.01.2022

Stell dir vor, du würdest einen Labelvertrag unterschreiben, hättest ein Album veröffentlicht, das von Fans sowie Musikmagazinen gefeiert würde, und die Möglichkeit, Metalgeschichte zu schreiben - eine Bandkarriere, wie sie im Bilderbuch stünde. RAVENOUS hatten so eine Karriere. Von 1988 bis 1994 erreichten sie, als erste bekannte Thrash Metalpartie aus Österreich, Höhen, von denen viele heimische Bands nur träumen konnten. Doch der Aufstieg hatte ein vorzeitiges Ende genommen, von dem die Öffentlichkeit nichts mitbekam. Im folgenden Artikel wird ein Einblick in RAVENOUS´ Geschichte gewährt, die von Glück, Erfolg und Rückschlägen geprägt ist.

Die Welt im Thrash Metalfieber
1986 war Amerika von den Big Four (METALLICA, SLAYER, ANTHRAX, MEGADETH) überwältigt worden und das Musikbusiness wurde hellhörig. Majorlabels rissen sich um die Bands und schickten sie weltweit auf Tournee. METALLICAs „Master Of Puppets“, MEGADETHs „Peace Sells…But Who´s Buying“, ANTHRAXs „Spreading The Disease“, SLAYERs „Reign In Blood“: sie waren ein Musthave gewesen, für jeden Fan des noch so jungen Subgenres, und lösten eine Welle an neuen Bands aus, die in verschiedenen Teilen der Welt gegründet wurden. Sogar im kleinen Österreich tat sich etwas.

RAVENOUS on the map
Ursprünglich hießen RAVENOUS „DRAGONSLAYER“, die von Jochen „Joe“ Kuglbauer (damals Schlagzeuger) ins Leben gerufen wurde. Zunächst beschränkten sie sich auf Rockmusik, was sich aber bald änderte. Zunächst beschränkten sie sich auf Rockmusik, was sich aber bald änderte. Joe wurde vom Thrash Metal Fieber gepackt und begann Lieder zu schreiben, die an seine Heroen – SLAYER und METALLICA – angelehnt waren. Dem damaligen zweiten Gitarristen und dem Bassisten gefiel das nicht, worauf sie das Weite suchten. Ein Ersatz wurde schnell gefunden, denn Joe holte Markus „Marcus“ Gruber, mit dem er bereits ein paar Sessions gespielt hatte, als Schlagzeuger ins Boot und er wechselte zu Gesang und Gitarre. Mit dem Bassisten Franz „Frank“ Freiler war das Line Up der Band, die sich von da an RAVENOUS nannte, komplett.

Ein Bandcontest mit unerwartetem Ausgang
Die Band hatte bereits einige Auftritte in Ostösterreich absolviert, doch ihr tatsächlicher Durchbruch geschah 1991, als sie am österreichischen Bandcontest „Heavy Metal Battle“ teilnahm. Im Finale gingen RAVENOUS als Sieger hervor und das war nicht die einzige Feier des Abends. Zum Abschluss gab die deutsche Band MEKONG DELTA, deren Frontmann Ralph Hubert auch Musikproduzent bei Major International Records war, ein Konzert. Zuvor hatte er RAVENOUS auf der Bühne gesehen und war von ihnen begeistert gewesen. Nach der Show kamen sie ins Gespräch. Sie verstanden sich so gut, dass die Tage darauf ein Labelvertrag zustande kam. Joe, Frank und Marcus konnten es nicht fassen: Gewinner des Heavy Metal Battle und ein Labelvertrag. Das Preisgeld steckten sie sich bar in die Tasche und die Reise ging nach Deutschland.


(Heavy Metal Battle, Wien. 1991. Links nach Rechts: Joe, Frank, Marcus)


“Books Of Covetous Souls´ war Luetkes allererstes Albumcover“

 

 

 

 

 

 


Alles ging schnell. Der Record-Deal war unter Dach und Fach, das Phoenix Studios in Heine (Deutschland) gebucht, Frank wechselte von Gitarre auf Bass und als Verstärkung kam Erwin alias Eric hinzu. Nach ein paar Monaten waren alle Nummern eingespielt, was RAVENOUS noch fehlte, war ein Albumcover. Da kam Joachim Luetke ins Spiel. 

Ein deutscher Künstler, der in den Siebzigern Grafik-Design in der Schweiz studierte und die Wiener Akademie der bildenden Künste absolvierte. Im Laufe seiner Karriere kreierte er Artworks für KREATOR, DESTRUCTION, DIMMU BORGIR, MARILYN MANSON und MESHUGGAH, mit denen er erst in ferner Zukunft berühmt werden würde (mehr dazu im Stormbringer-Interview), doch Anfang der Neunziger stand er noch am Beginn seiner Metalartwork-Karriere. “Books Of Covetous Souls´ war Luetkes allererstes Albumcover“, kommentierte Joe. RAVENOUS war nicht nur die Band, die als erste ein von Luetke designtes Albumcover erhielt, sondern sie bekam von ihm auch den Denkanstoß zum Titel. Der Künstler entwarf ein Bild, das RAVENOUS ins Grübeln brachte. Inspiriert von dem Design, beschlossen sie, „Covetous Souls“ in „Books Of Covetous Souls“ umzubenennen; das Album war bereit für die Veröffentlichung.

„Books Of Covetous Souls“ ging viral und wurde von Rock Hard, Wild Axe und diversen Lokalzeitungen gelobt. Man war überrascht, dass ein derart gutes Thrash-Album von Österreichern stammte. Das Land war nicht gerade bekannt, für ihre Metalszene, noch weniger für Thrash Metalbands, aber die deutschsprachigen Nachbarn wurden auf RAVENOUS‘ Musik aufmerksam. Der Plan einer Europa-Tournee war nur eine Frage der Zeit.

 

 

"Wie in der Schweiz, schaffen es anscheinend auch im      kleinen Österreich nur die ganz harten Bands - nämlich internationalen Top-Standard zu erreichen. RAVENOUS lassen zwar ihre Vorbilder einfließen, ziehen aber konsequent ihr eigenes Ding durch, achten auf Wiedererkennungswert und spielerische Qualität[...]"
(Quelle: Jaux Herbert, Wild Axes-Magazin
, 1992)


 

RAVENOUS: der Anfang vom Ende                                                                                      

Nach unzähligen Auftritten in Österreich und Deutschland folgte der nächste wichtige Schritt: ein Konzert in den Niederlanden, zu dem SODOM Headliner gewesen waren. Vor dem Gig hatte sich Frank von der Band verabschiedet, der durch Adi ersetzt wurde. Trotz des Besetzungswechsels lebte er sich gut ein, das Konzert verlief wunderbar und der Schrei nach einer Europatournee wurde immer lauter.

Endlich war es so weit. RAVENOUS war als Vorband für PROTECTOR´s „A Shredding Of Skin Tour 91“ vorgesehen, die Ticketverkauf im Gange. Plötzlich trat ein Problem beim Hauptact auf. Der Schlagzeuger Michael Hasse war von Medikamenten abhängig geworden und befand sich momentan auf kaltem Entzug. Das wirkte sich auf seine Gesundheit aus und hinderte ihn daran, live zu spielen.

In der kurzen Zeit konnte auch kein Schlagzeuger als Ersatz gefunden werden, was eine Absage der geplanten Tournee zur Folge hatte. Das war nicht nur eine Tragödie für PROTECTOR, sondern auch ein herber Rückschlag für RAVENOUS‘ junge Bandkarriere.

Streit ums Geld - der Gnadenstoß
Es schien, als würde die Pechsträhne kein Ende nehmen. Joe, Jo, Marcus und Adi hatten einen Labelvertrag mit Major International Records, der ihnen finanzielle Unterstützung für zwei weitere Alben zusicherte. Zumindest hatten sie das jedenfalls gedacht: ein Streit ums Geld entfachte. Das Management der Band (Vereinigung österreichischer Musiker, kurz: VÖM) und Major International Records gerieten in Clinch. Ein Teil der Rechnung für die Produktion von „Books Of Covetous Souls“ war noch immer offen gewesen, aber keiner der beiden war bereit dafür zu zahlen. Joe wollte die Sache klären – der Versuch war leider vergebens.
RAVENOUS schlitterten in eine Abwärtsspirale. Frustriert, wegen des nie enden wollenden Geldstreits und der abrupt abgesagten Tournee, stiegen RAVENOUS aus dem Vertrag aus und legten eine Pause ein. 1994 kam das vorzeitige Ende der Band.

Die Rückkehr - neuer Bassist, neues Album
RAVENOUS hatten in den Neunzigern mit Schicksalsschlägen und zahlungsscheuen Unternehmen zu kämpfen, aber sie zogen sich nie endgültig zurück - der Entschluss, der Pause ein Ende zu setzen. Als ihr Ruhestand 2014 für beendet erklärt wurde, erhielten sie Zuwachs in der Gitarrenfraktion. Josef „Jo“ Brunner - der jahrelang ein eigenes Bandprojekt am Laufen hatte und bei dem auch Joe Mitglied war - schloss sich RAVENOUS an. Sie waren startklar. Nach 20-jähriger Inaktivität trat die Band am Undergroundfestival Kalten Bach Open Air (KOA) auf. Dieser Gig führte gleich zu einem Gig in Wiener Neustadt, der wiederum zu einem in Tschechien führte und so weiter. Die Band war zurück, nur gab es am Bass wieder Mal einen Besetzungswechsel. Der talentierte Musiker Stefan kam im Dezember 2016 dazu. Kaum war der neue Bassist rekrutiert, musste er innerhalb eines Monats die Lieder einstudieren. Die Feuertaufe bestand er im Escape Metalcorner (Wien, Jänner 2017) und war von nun an ein gleichwertiges Mitglied der Band.
Mit dem neuen Zuwachs nimmt das RAVENOUS-Flaggschiff an Fahrt auf - ein neues Album ist schon in Planung. 2022 kann sich die österreichische Metalszene auf einen Mix aus noch nie veröffentlichten Liedern der damaligen Ära und neu geschriebenem Material einstellen.

Damals konnte die Band auf der ersten europäischen Welle des Thrash Metals nicht mitreiten, doch jetzt sieht es anders aus. Old School Thrash Metal ist seit Jahren wieder angesagt - Bands wie EVIL INVADERS (BEL), VERBAL RAZOR (FR), INSANITY ALERT (AUT), SPACE CHASER (DE) sind im Kommen. Aber was ist authentischer als so zu tun, als hätte man die Achtziger erlebt? Genau. Wenn man tatsächlich dabei gewesen ist. Mit RAVENOUS bietet sich eine neue Gelegenheit an, denn die Nachfrage nach Thrash Metalmusik ist groß.


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