KREATOR - das 'Hate über alles' Gangbang-Review
Am Sonntag, den 14. Mai 1989 trug es sich zu, dass eine Autobesatzung hagerer Metalfans sich anschickte, von der Südweststeiermark gen Wien zu fahren, um die deutschen Thrasher KREATOR auf ihrer "Extreme Aggression"-Tour im Fritz Club (dem nachmaligen und leider nicht mehr existenten Wiener Rockhaus) zu besuchen. Das waren Zeiten, in denen Stagediving en vogue war, erleichtert durch das völlige Fehlen von Absperrungen vor der Bühne. Ein Konzertbesuch barg immer das Risiko in sich, dass plötzlich ein fröhlich vor sich hin hüpfender Mensch auf meinem Haupt landete.
Die Musik hantelte sich damals von einem Härtegrad zum nächsthohen. Thrash und der aufkommende Death Metal hatten unseren Zugang zur Musik komplett verändert, und KREATOR waren schon damals ganz vorne dabei. Schon damals mischten sie treibenden Thrash mit riffigem Metal und klugen Texten.
Jetzt, über zwei Jahrzehnte später sind KREATOR immer noch da und größer denn je. Nach ihrer Rückkehr zum thrashigen Zugang zur Musik wächst die Band mit jedem Album und spielt mittlerweile vor Menschenmengen, wie sie sich damals niemand vorstellen konnte.
"Hate Über Alles" ist Album Nummer sechs seit der Neueinführung von Kreator Thrash 2.0. Nach dem zwiespältig aufgenommenen Experiment "Endorama" hatte man die Zügel wieder etwas angezogen und begann eine völlig neue Phase in der Bandgeschichte mit dem Album "Violent Revolution". Die Hinzunahme des finnischen Gitarristen Sami Yli-Sirniö hievte die Band auf ein völlig neues Level. Der Axthexer brachte Leads in den Vortrag der Band, wie man sie vorher nicht hörte. Melodiös, brillant und virtuos veredelt der eher ruhig wirkende Mann aus Helsinki das Ruhrpott-Liedgut. Wobei Ruhrpott nur mehr die Hälfte der Aufstellung ist. Neben Mille und Ventor hat mittlerweile der französische Bassist Frédéric Leclercq die tieferen Frequenzen übernommen und die Band zu einem europäischen Projekt gemacht.
Mit dem letzten Album "Gods Of Violence" gelang KREATOR der Sprung auf den ersten Platz in den deutschen Charts, und es braucht hier keinen Hellseher um eine ähnliche Platzierung für "Hate Über Alles" vorherzusagen. Alles, was die "neuen" KREATORr seit ihrer fulminanten Rückkehr 2001 ausmacht, ist wieder dabei, manchmal sogar besser.
"Hate Über Alles" eröffnet mit einem Western-Intro – warum auch nicht – bevor es in den KREATOR-typischen Titeltrack geht. Nach all den Jahren, die ich nun KREATOR höre, bin ich noch immer begeistert, dass man sich nach wie vor die eigenen Merkmale behalten hat und dennoch einen eigenständigen Hit mit diesem Song zustande bringt, wie auch beim folgenden "Killer Of Jesus". Nähmaschinenakkurates Drumming, feinstes Riffing und Milles einzigartiges Gekeife. Dann allerdings wird es etwas eigenartig. Man geht weg vom Thrash und zieht die Heavy Metal-, oder nur Metal-Saiten auf. Das mag mit "Become Immortal" gelingen (wenngleich hier die Oh-Oh-Ohs eher danebengreifen), mit "Crush The Tyrants" und dem eher stadionorientierte "Strongest Of The Strong" vermag man es nicht, den Reviewer zu entzücken. Wird der Band egal sein, dennoch möchte ich es hier anfügen. Das sind KREATOR 2.0, die auf ein breiteres Publikum abzielen und dort auf jeden Fall punkten. Ich selbst kann mich enthusiamustechnisch zurückhalten.
"Conquer And Destroy" ist der nächste Vollgassong, passt. Pfeilschnell in den Strophen und eine wirklich schöne Melodie im Chorus. Dafür sind, waren und werden KREATOR bekannt sein. Hier darf man auch wieder die exquisiten Künste des Finnen in der Mannschaft bewundern. Mit Sami hat man wirklich einen der besten Leadgitarristen im Game an Bord (ich wiederhole mich, aber das ist recht und gut). Das Ende von „Conquer And Destroy“ lädt wieder zum Mitshouten ein. Ein zweiteiliger Song, a game of wo halves wie man bei den Ex-Europäern sagen würde.
"Midnight Sun" startet wie ein Rennpferd aus der Startbox, bis "Engel" von RAMMSTEIN zitiert wird und ein eher belangloser Refrain den Song zum schwächsten Lied auf dem Album macht. Missversteht mich nicht, das Riffing ist immer noch grandios, die Dame, die Teilen des Songs ihre Stimme leiht, passt hier leider überhaupt nicht.
"Demonic Future" galoppiert superheavy aus den Startlöchern und zeigt die Band, wie man sie kennen und lieben gelernt hat. Das hat es auch schon auf den großen Alben der alten Zeiten gegeben. Hier zeigt man, wie auf allen "typischen" KREATOR-Songs auf diesem Album, dass man das rotzige, das wilde Songwriting noch immer beherrscht und in die heutige Zeit passend überträgt. Dazu funktioniert auch der grandiose Klang des Albums. Breitwand, aber nie nach Plastik klingend, heavy, mit einem grandiosen Schlagzeugsound.
Eine Spieluhr und Klargesang von Mille, und schon beginnt "Pride Comes Before The Fall", ein Midtempostampfer mit mächtigen Double-Bass-Attacken von Ventor. Ein Durchschnittssong, was auch am Chorus liegt, der eher belanglos daherkommt.
Und schon sind wir auch am Ende. Kurioserweise kommt der langsamste und längste Song am Ende. "Dying Planet" mit seinen beinahe sieben Minuten beginnt sehr verhalten, schiebt dann aber ab Mitte doch noch ein wenig an. Da hätte man vielleicht an der Trackliste etwas schrauben können und einen Banger an den Schluss stellen sollen.
Insgesamt ein mehr als solides Album von KREATOR mit einigen starken Thrash-Metal-Songs, leider aber auch mit einigen nicht ganz so tollen Liedern. Natürlich sind das nicht mehr "meine" KREATOR. Mehr als drei Jahrzehnte sind mittlerweile vergangen und die Band hat ihre Stärken mitgenommen und vieles Neues für sich entdeckt. Das ist gut so, der Erfolg der Band spricht für sich. KREATOR sind schon lange keine reine Thrashband mehr, sondern eine der größten harten Metalbands dieses Planeten.
4,0 / 5,0 - Christian Wiederwald
Inhaltsverzeichnis:
Seite 1: Einleitung
Seite 2: Anthalerero
Seite 3: Christian Wiederwald
Seite 4: Ernst Lustig
Seite 5: Jörn Janssen
Seite 6: Lord Seriousface
Seite 7: Martin Weckwerth
Seite 8: Peter Haider
Seite 9: Fazit