MÖTLEY CRÜE – Crücial Crüe (The Studio Albums 1981-1989)

MÖTLEY CRÜE begleiten mich seit nunmehr knapp 40 Jahren. Nach QUEEN, KISS und VAN HALEN waren die Jungs meine vierte "richtige" Band und ich erinnere mich bis heute, wie ich mir "Shout At The Devil" auf Kassette gekauft habe und sie damals heimlich gehört habe, weil meine Eltern damals nicht "noch so eine langhaarige Band" im Hause haben wollten. Ich konnte sie aber dann dennoch überzeugen, dass drei Bands nicht ausreichten und meine Mum sogar zum Fan mancher Truppe bekehren. Erziehung einmal umgedreht.
Die Jungs hatten ihre Höhen und Tiefen, sowohl auf musikalischer wie auch persönlicher Ebene. Die Alben bis 1989 sind bis heute der heilige Gral der Band, persönlich waren die Lowlights sicherlich VINCE NEILs unter Alkoholeinfluss verursachter Autounfall Ende 1984, bei dem sein Kumpel und HANOI ROCKS Drummer Nicholas „Razzle“ Dingley ums Leben kam. Die Überdosis von NIKKI SIXX ein paar Jahre später waren noch so ein unrühmlicher Höhepunkt. Das alles gibt es nachzulesen im Bestseller "The Dirt", zu dem es bekanntlich auch einen m.E. hervorragenden Netflix-Film gibt, welcher wohl auch zum Umdenken der Band geführt hat, wieder auf Tour zu gehen, nachdem es Silvester 2015 einen tränenreichen Bühnenabschied gab. Im Jahr 2022 war man dann wieder in den größten amerikanischen Stadien zusammen mit DEF LEPPARD, POISON und JOAN JETT unterwegs. In diesem Jahr wird auch wieder ausgiebig Europa betourt mit den tauben Leoparden (diesmal allerdings ohne MICK MARS, den JOHN 5 ersetzen wird).
Zu einer Tour gehört ein Produkt. Nachdem neue Scheiben alter Bands ja selten gut laufen, ist die einfachere Variante, den Backkatalog wieder zu veröffentlichen. Im Falle MÖTLEY CRÜE ist das schon etliche Male in der Vergangenheit geschehen. Nun werden also die ersten 5 Alben von 1981-1989 (mal wieder) neu herausgebracht. Das Package ist sowohl als Vinyl als auch auf CD zu haben. Die Vinyls sind in wunderschönem jeweils farblichen Splash-Vinyl angefertigt worden, was wohl als zusätzlicher Kaufanreiz dienen soll. Die Cover selber sind künstlich auf alt gemacht (siehe "Unboxing" Video unten) was ich persönlich nicht so prickelnd finde. Mir liegt allerdings nur ein Download vor, so dass ich auch über den Sound (angeblich "remastered 2021") nur wenig Aussagen treffen kann und ein Re-Release-Review ohne Hardware an sich von vornherein ad absurdum führt (aber so läuft das eben kostensparend anno 2023). So bleibt nur ein Blick in den Rückspiegel auf die fünf Klassiker:
TOO FAST FOR LOVE (1981/1982)
Das Debüt der Kalifornier wirkt auch 40 Jahre später noch sehr roh. Hier finden wir den bekannten Roy-Thomas-Baker-Mix vor, es gibt auch noch einen Mix auf ihrer ersten Plattenfirma "Leathür" (erschienen bereits 1981), welcher recht rar ist und noch eine Spur roher rüberkommt. Bereits hier gibt es Klassiker satt: "Live Wire", "Take Me To The Top", "Merry Go-Round" oder der Titelsong sind mittlerweile zeitlose CRÜE-Perlen. Image und Sound waren zur damaligen Zeit durchaus innovativ und kann man als den Start der "Hairspray-Bands" (ohne jegliche Häme!) werten. Musikalisch und gesanglich gehörten die Mötleys zwar nie zu den absoluten Helden, aber es muss nicht immer der technisch beste Musiker sein, um geile Musik zu machen. Bereits am Debüt war klar hörbar, dass da wohl etwas Großes auf uns zukommen wird.
Tracklist:
1 Live Wire
2 Come On And Dance
3 Public Enemy #1
4 Merry-Go-Round
5 Take Me To The Top
6 Piece Of Your Action
7 Starry Eyes
8 Too Fast For Love
9 On With The Show
SHOUT AT THE DEVIL (1983)
Mit der zweiten Scheibe "Shout At The Devil" wurde das Image um einiges wilder und auch musikalisch wurde noch eine gehörige Schippe draufgelegt. Das Cover mit Pentagramm und dem Bandfoto im Klappcover machen schon gehörig was her und Songs wie "Shout At The Devil", "Looks That Kill" oder "Red Hot" sind einfach geil und bis heute im Programm der Band. Auch die "Deep Cuts" wie "Danger" (für mich bester Song!), "Bastard" oder "Knock 'Em Dead" Kid" haben bis heute ihren Stellenwert. Und wer sich BEATLES-Songs zu covern traut und das auch noch gut macht, gehört eh gefeiert ("Helter Skelter"). Bis heute für mich ein Album für die einsame Insel und die absolute Speerspitze im MÖTLEY-CRÜE Katalog. Sensationelles Album.
Tracklist:
1 In The Beginning
2 Shout At The Devil
3 Looks That Kill
4 Bastard
5 God Bless The Children Of The Beast
6 Helter Skelter
7 Red Hot
8 Too Young To Fall In Love
9 Knock ‘Em Dead, Kid
10 Ten Seconds To Love
11 Danger
THEATRE OF PAIN (1985)
"Theatre Of Pain" war das erste Album nach dem oben genannten Autounfall von Vince und konnte nach dem Vorgänger an sich nur verlieren. Hier wurden die Kanten doch merklich abgeschliffen, das harte Lederimage wich zugunsten bunterer Klamotten und auch die Musik wurde um einiges seichter. Mit "Louder Than Hell", "Fight For Your Rights" oder auch "Tonight (We need A Lover)" waren sicherlich noch einige sehr starke Songs an Bord. Die Piano-Ballade "Home Sweet Home" mit zugehörigem Video hatte im MTV-Zeitalter wohl auch jede Menge Anteil daran, dass sich das Album wie warme Semmeln verkaufte und man nun die größeren Hallen anpeilen konnte. Ebenfalls ein Klassiker die Coverversion von BROWNSVILLE STATIONs "Smokin' In The Boys Room". Es bleibt jedoch dabei: Songs wie "Use It Or Lose It" oder "Raise Your Hands To Rock" (schlechte "I Wanna Rock" Kopie) sind eindeutig Füller.
Tracklist:
1 City Boy Blues
2 Smokin’ In The Boys Room
3 Louder Than Hell
4 Keep Your Eye On The Money
5 Home Sweet Home
6 Tonight (We Need A Lover)
7 Use It Or Lose It
8 Save Our Soles
9 Raise Your Hands To Rock
10 Fight For Your Rights
GIRLS, GIRLS, GIRLS (1987)
"Girls, Girls, Girls" ist unser "Desolation Boulevard" oder "Rocks" " ließ NIKKI SIXX zum Album-Release anno 1987 verlauten. Nun ja – ganz der große Klassiker ist das Album zwar nicht, aber die Formkurve nach dem doch eher durchwachsenen Vorgänger zeigte wieder nach oben. "Wild Side" (ein MICK-MARS-Riff für die Ewigkeit!), der Titelsong oder "Dancing On Glass" zeigen eine starke Band voller Selbstbewusstsein. Die Sunset-Strip-Welle war anno 1987 auf dem Höhepunkt. Drogen, Alkohol und Stripperinnen bestimmten den Alltag der Truppe und hätten für NIKKI SIXX beinahe zum Lebensende geführt (und auch zum Nichtstattfinden der Europa-Tour!). Aber auch hier wäre wieder mehr drin gewesen, mit "Sumthin' For Nothin" oder "Five Years Dead" gab es erneut Unterdurchschnittliches, und die Coverversion von "Jailhouse Rock" in einer Pseudo-Liveversion wurde offenbar nur eingebaut weil man zu wenig Songs hatte. Bester Deep-Cut ist hier die Ballade "You're All I Need", bei der man einmal besonders auf den Text achten sollte. Alles andere als der "cheesy Love Song". Das Video dazu wurde auf manchen TV-Stationen sogar boykottiert.
Tracklist:
1 Wild Side
2 Girls, Girls, Girls
3 Dancing On Glass
4 Bad Boy Boogie
5 Nona
6 Seite B: Five Years Dead
7 All In The Name Of…
8 Sumthin’ For Nuthin’
9 You’re All I Need
10 Jailhouse Rock (Live)
DR. FEELGOOD (1989)
Für viele stellt "Dr. Feelgood" die beste MÖTLEY-CRÜE-Scheibe dar. Für mich holt sie die Silbermedaille nach dem unerreichten "Shout At The Devil". Das Allerbeste an dem Album ist sicherlich der Sound. Wenn man seine Anlage testen möchte, kann man an sich nur diese Scheibe empfehlen. Eine Referenz für jeden Boxentext. So messerscharf kamen Gitarrenriffs noch nie aus den Boxen und der Drumsound gehört mit dem vom Kiss-Album "Creatures Of The Night" zum besten aller Zeiten. Bob Rock hat's halt drauf und nicht zuletzt wegen dieser Scheibe wurde er auch Produzent vom schwarzen METALLICA-Album.
Die Songs können durchaus mit dem genialen Sound mithalten. "Dr Feelgood", "Kickstart My Heart", "Rattlesnake Shake" oder "Slice Of Your Pie" haben endlich wieder den alten MÖTLEY-Biss. Die softeren Songs wie "Same Ol' Situation", "Don't Go Away Mad (Just Go Away)" oder die Ballade "Without You" können ebenso überzeugen. Schwächere Songs wie "Sticky Sweet" oder "She Goes Down" kann man da locker verschmerzen. Auch hier ein eher unbekanntes Juwel am Ende der Scheibe: Die unterschätzte und meines Wissens nie live gespielte Hymne "Time For Change". Unvergessen bleibt die Deutschlandtour mit SKID ROW im Vorprogramm.
Tracklist:
1 T.n.T (Terror ‘n Tinseltown)
2 Dr. Feelgood
3 Slice Of Your Pie
4 Rattlesnake Shake
5 Kickstart My Heart
6 Without You
7 Same Ol’ Situation (S.O.S)
8 Sticky Sweet
9 She Goes Down
10 Don’t Go Away Mad (Just Go Away)
11 Time For Change
FAZIT:
Die Jahre 1981-1989 stellen selbstredend den Höhepunkt in der MÖTLEY CRÜE-Karriere dar. Drei veritable Klassiker und zwei gute bis sehr gute Scheiben sind eine fantastische Ausbeute. Schade, dass danach nicht mehr viel wirklich Relevantes von der Band erschien. Die selbstbetitelte 1994er Grunge-Anbiederung mit JOHN CORABI am Mikro war ein Tritt in die Weichteile, das Comeback von Vince Neil mit "Generation Swine" bis auf wenige Ausnahmen auch nicht gerade ein Highlight. "New Tattoo" (diesmal ohne TOMMY LEE) und "Saints Of Los Angeles" haben ebenfalls nicht die Musikwelt großartig bewegt. So bleibt die goldenen Achtziger-Dekade nicht überraschend die Beste für die Jungs, welche sie auch mehrheitlich geprägt haben.
Ob man nun die Box(en) unbedingt braucht sei dahingestellt. Die letzten Re-Releases boten zumindest Bonustracks in Form von Demos. So bleibt hier doch ein etwas fader Beigeschmack und der Verdacht einer schnellen Geldmache angesichts völlig fehlendem Bonusmaterials. Ob man die Albumcover nun auf "Vintage" machen muss, würde ich auch einmal in Frage stellen. Wenn der Sound auch keine nennenswerten Verbesserungen bringen sollte, was bei "Dr. Feelgood" eh nicht mehr möglich ist (die mp3s bewerte ich hierzu nicht!) dann bleibt als einziges Kaufargument die (angebliche) Limitierung auf 10.000 Boxen und für die LPs die herrlichen verschiedenfarbigen Splatter-Vinyls. Das war's dann aber auch schon. Angesichts der Preise (ca. 43 Euro für die CD-Box und 130 Euro für die fünf Vinyls) wird sich das der eine oder andere dann doch überlegen. Der Die-Hard Fan braucht natürlich alles und wird auch mit diesen Boxen wieder die Rentenkasse der Kalifornier füllen. Dass man keine Hardware fürs Reviewen bekommt, ist ja mittlerweile leider Normalität aber dass dann beim Download teilweise Songs fehlen oder vertauscht werden ("Time For Change" ist auf der "Girls, Girls, Girls"-Scheibe, "Danger" fehlt ganz) ist dann doch etwas peinlich und spricht für fehlende Qualitätskontrolle oder Unwissenheit. Aber sei's drum. Die Zeitreise hat dennoch Spaß gemacht. MÖTLEY RULES – bring on the Tour!