Enslaved - RIITIIR

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VÖ: 28.09.2012
Bandinfo: ENSLAVED
Genre: Extreme Metal
Label: Nuclear Blast GmbH
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Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Gitarrist und Bandgründer Ivar Bjørnson übt sich in ENSLAVED-typischer Floskelwerferei: „Ich habe das Gefühl, dass „RIITIIR“ eine tiefere Komplexität hat als unsere vorherigen Werke, allerdings finde ich es auch eingängiger und mitreißender. Jedoch bin ich alles andere als objektiv, sodass ich das Urteil lieber den Leuten außerhalb der Band überlasse." Wie jetzt? Was jetzt? So grenzgeniale Musik ENSLAVED eigentlich seit Anbeginn ihrer 21-jährigen Karriere machen, so nichtssagend und ausweichend sind stets die Antworten der sympathischen Norweger. Nur ja keinem auf den Schuh treten. Doch solang die Qualität der Musik herausragend ist, macht das ja auch nichts. Und genau das ist auch auf Album Nummer Zwölf der Fall.

Dabei könnte der Einstand beim Metalriesen Nuclear Blast schwieriger nicht sein. Mit „Axioma Ethica Odini“ haben ENSLAVED vor knapp zwei Jahren ihr Opus Magnum produziert, zahlreiche Awards eingesackt, unzählige Charts gekracht und so nebenbei bewiesen, dass man oft auch nur den eigenen kruden Gedanken folgen muss, um etwas Zeitloses zu schaffen. „RIITIIR“ (setzt sich zusammen aus den Wörtern „Rites“ und „Rituals“ – ergo „The Rites Of Man“) als Direktvergleich heranzuziehen wäre unfair und falsch, denn wie man es von ENSLAVED gewohnt ist, klingt das aktuelle Album wieder um einen ganzen Zacken anders als der Vorgänger. Mit opulenten 67 Minuten ist es nicht nur das längste Werk der Bandhistorie, sondern auch das verschrobenste. Bereits der Opener „Thoughts Like Hammers“ vereint progressives Liedgut mit hymnischem Klargesang und partiell eingesetzten Schwarzwurzeleien. „Death In The Eyes Of Dawn“ setzt schon zu Beginn mit unverkennbarer BATHORY-Epik ein und entwickelt sich im weiteren Verlauf zu einem atmosphärischen Mid-Tempo-Song, der mit ruhiger Akustikgitarre ausfaded.

Stärker als in den letzten Jahren haben sich ENSLAVED auf „RIITIIR“ in ihrem eigenen Klangkosmos verschanzt und tönen dadurch einzigartiger und individueller als je zuvor. Da kommt es schon mal vor, dass auf dem eher getrageneren „Veilburner“ ein speediges Riffmonster der Marke „Roots Of The Mountain“ trifft, ohne dabei an Drive oder Authentizität zu verlieren. Während Grutle gewohnt souverän durch die einzelnen, stets überlangen, Kapitel bellt, hat Herbrand Larsen mit seinem Klargesang mittlerweile endgültig eine tragende Rolle bekommen. Die Songs auf „RIITIIR“ sind so verschachtelt und komplex arrangiert, dass man die acht Kapitel auch problemlos verdoppeln oder verdreifachen hätte können. Selbst Kastagnetten kommen bei ENSLAVED erstmals zum Einsatz.

Verbrauchserscheinungen sind auch im letzten Albumdrittel nicht zu vermerken, die rockige Viking/Doom/Death-Walze „Materal“ entführt den Hörer in neue Soundwelten, „Storm Of Memories“ verstört in den ersten drei Minuten mit progressiver Monotonie und verwandelt sich dann zu betörendem Erstliga-Black Metal, mit dem abschließenden „Forsaken“ sprengen ENSLAVED endgültig alle Ketten und Grenzen. Zwischen dezenten Keyboards, Grutles langgezogenem, tiefen Gegröle, paralysierenden Gitarrenriffs und VOIVODesker Progressive-Jammerei erschließt sich die ganze Komplexität des Songs auch bei mehrmaligem Durchhören nicht vollständig.

Mit gespenstischer Instrumentierung und unter die Haut gehendem Gesang beschließt der Song die letzten vier Minuten und der Hörer weiß damit endgültig, dass man die Musik von ENSLAVED schwerer als je zuvor in vorgefertigte Genre-Schablonen pressen kann. „RIITIIR“ ist nicht so wuchtig und durchdringend wie „Axioma Ethica Odini“ geraten, aber in sich geschlossen ein weiteres Meisterwerk, das nebenbei auch unverschämt klar produziert wurde. Wo soll die Reise der Bergener in Zukunft noch hingehen? Weiß man nicht und gerade das ist das Schöne an ENSLAVED. Sie repräsentieren das Alpha und das Omega.



Bewertung: 4.5 / 5.0
Autor: Robert Fröwein (21.09.2012)

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